Magisches Erbe
all diese Weihnachtsgottesdienste ab, weißt du. Falls du mal einen besuchen möchtest, sag mir Bescheid.«
Die Priester der Alchemisten lasen in unseren Haupteinrichtungen an den Weihnachtstagen immer besondere Messen. Einige Alchemisten-Familien legten großen Wert darauf, sie jedes Jahr zu besuchen. Ich hatte seit einer Weile nicht mehr an ihnen teilgenommen, nicht seit mich meine Missionen mal hierhin, mal dorthin verschlugen.
»Ich werde es mir merken.«
Eine lange Pause entstand, und seine nächsten Worte kamen zögernd. »Ich würde dich ja zum Tanzen auffordern. Bloß dass es in dieser Art von unheiliger Umgebung nicht richtig wäre.«
Ich bedachte ihn mit einem steifen Lächeln. »Natürlich. Und außerdem sind wir geschäftlich hier. Wir müssen uns darauf konzentrieren, gute Beziehungen zu ihnen aufzubauen.«
Ian hatte zu einer Antwort angesetzt, als uns eine vertraute Stimme unterbrach. »Ms Sage?«
Wir schauten auf. Adrian stand in seinem schicken blauen Anzug vor uns. Sein Gesicht war ein Bild vollendeter Höflichkeit und Zurückhaltung, was bedeutete, dass wahrscheinlich gleich etwas Schreckliches geschehen würde.
»Es ist schön, Sie wiederzusehen«, fuhr er fort. Er sprach, als sei es einige Zeit her, und ich nickte zustimmend. Wie ich Stanton versichert hatte, wusste Adrian, dass zu viel Vertrautheit zwischen uns eine Spur zurück zu Jill schaffen würde. »Habe ich Sie beide gerade darüber reden hören, dass Sie gute Beziehungen aufbauen wollen?«
Ich brachte keinen Ton heraus, daher antwortete Ian. »Ja, genau. Wir sind hier, damit es zwischen unseren Völkern freundlicher zugeht.« Seine Stimme klang jedoch ausgesprochen unfreundlich.
Adrian nickte vollkommen ernst, als habe er Ians Feindseligkeit gar nicht bemerkt. »Ich finde, das ist eine großartige Idee. Und mir ist etwas eingefallen, das eine ausgezeichnete Geste für unsere gemeinsame Zukunft wäre«, sagte er mit Unschuldsmiene. In seinen Augen stand ein schelmisches Funkeln, das ich nur allzu gut kannte. Er streckte mir die Hand hin. »Würden Sie gern tanzen?«
Kapitel 4
Ich erstarrte. Ich traute es mir nicht zu, zu antworten.
Was dachte Adrian sich dabei? Das ganze Drama zwischen uns einmal beiseitegelassen, war es doch absolut unverzeihlich, diese Frage hier vor anderen Moroi und Alchemisten zu stellen. Vielleicht wäre es in Palm Springs, wo es mit meinen Freunden etwas entspannter zuging, keine ganz so abwegige Bitte gewesen. Aber hier? Er riskierte es, unsere Bekanntschaft aufzudecken, was wiederum Jill in Gefahr brachte. Und es konnte seine Gefühle für mich verraten, was fast genauso schlimm war. Selbst wenn ich darauf bestand, seine Gefühle nicht zu erwidern, konnte mich die Tatsache, dass es sich überhaupt so weit entwickelt hatte, bei den Alchemisten in ernste Schwierigkeiten bringen.
Während mir diese Gedanken durch den Kopf rasten, tauchte plötzlich ein noch besorgniserregenderer Gedanke auf. Eine gute Alchemistin sollte sich um all das keine Sorgen machen. Eine gute Alchemistin wäre einfach über das unmittelbare Problem entsetzt gewesen: mit einem Moroi zu tanzen. Einen Vampir auch nur zu berühren. Als mir das klar wurde, setzte ich hastig eine entrüstete Miene auf und hoffte, überzeugend zu wirken.
Glücklicherweise waren alle anderen zu schockiert, um mich groß zu beachten. Gute Beziehungen hatten ihre Grenzen. Stanton und Ian wirkten zu Recht angewidert. Die Moroi in der Nähe waren zwar nicht entsetzt, über den Bruch der Etikette aber schon erstaunt. Und doch … einige tauschten Blicke, die besagten, dass sie keineswegs überrascht waren, dass Adrian Ivashkov einen so ungeheuerlichen Vorschlag machte. Diese Haltung hatte ich häufig in Bezug auf ihn beobachtet. Die Leute taten sein Verhalten oft achselzuckend mit den Worten ab: »Das ist eben typisch Adrian.«
Ian fand seine Stimme als Erster wieder. »Sie … nein! Völlig ausgeschlossen!«
»Warum?« Adrian sah zwischen uns hin und her, seine Miene immer noch sonnig und bescheiden. »Wir sind doch alle Freunde, stimmt’s?«
Abe, der selten von irgendetwas schockiert war, schaffte es, einen Teil seiner Überraschung abzuschütteln. »Ich bin mir sicher, das ist halb so wild.« Sein Ton war unsicher. Er wusste, dass mir Adrian nicht völlig fremd war, nahm aber zweifellos an, dass ich die üblichen Alchemisten-Komplexe hatte. Wie der heutige Abend gezeigt hatte, kämpften die meisten Alchemisten immer noch mit einem Händedruck.
Stanton
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