Magisches Erbe
ablesen, dass es ihnen wie fünf Stunden vorkam.
»Ich finde es wunderbar, dass Sie drei eingeladen worden sind«, bemerkte Abe völlig entspannt. »Wenn man bedenkt, wie viel wir zusammenarbeiten, sollten wir mehr von diesen erfreulichen Interaktionen haben, meinen Sie nicht? Vielleicht werden Sie uns eines Tages zu Ihrer Hochzeit einladen.« Er zwinkerte mir zu. »Ich bin mir sicher, dass die jungen Männer bei Ihnen Schlange stehen.«
Nicht einmal Stanton konnte eine ungerührte Miene bewahren. Der entsetzte Ausdruck in ihrem Gesicht besagte, dass es nur wenige Dinge gab, die ihr abwegiger erschienen als der Besuch eines Vampirs auf einer menschlichen Hochzeit. Sie wirkte sichtlich erleichtert, als wir das Hotel erreichten, aber da waren wir Abe noch nicht los. Eine aufmerksame Person – wahrscheinlich Colleen – hatte uns an seinen Tisch gesetzt, wahrscheinlich weil sie dachte, es wäre schön für uns, bei einem Moroi zu sitzen, den wir kannten. Abe schien seine helle Freude an der Beklommenheit zu haben, die seine Gegenwart hervorrief, aber ich musste zugeben, dass es irgendwie doch auch erfrischend war, jemanden zu haben, der die angespannten Beziehungen zwischen uns offen einräumte, anstatt so zu tun, als sei alles okay.
»Da ist kein Blut drin«, erklärte uns Abe, als das Dinner serviert wurde. Wir drei zögerten noch, uns über das Chicken Marsala herzumachen, selbst ich. »Das einzige Blut ist in den Drinks, und die muss man extra an der Bar bestellen. Niemand wird Ihnen irgendetwas unterschieben, und die Spender befinden sich in einem anderen Raum.«
Ian und Stanton wirkten immer noch nicht überzeugt. Ich beschloss, die Mutige zu sein, und begann ohne jedes Zögern zu essen. Vampire mochten unnatürliche Kreaturen sein, aber sie hatten definitiv einen hervorragenden Geschmack, wenn es um Caterer ging. Einen Moment später folgten die anderen Alchemisten meinem Beispiel, und selbst sie mussten zugeben, dass das Essen ziemlich gut war.
Als die Teller abgeräumt waren, machte sich Ian mutig auf den Weg zu den Toiletten und gab Stanton kurz die Gelegenheit, sich zu einem Zwischenbericht mit gedämpfter Stimme zu mir vorzubeugen. »War alles okay, als Sie gegangen sind?« Angespannte Beziehung oder nicht, an unserer Mission, die Moroi stabil zu halten, hatte sich nichts geändert.
»Alles bestens«, bestätigte ich. »Ist alles ruhig. Nichts Verdächtiges.« Von meinem eigenen zwischenmenschlichen Drama brauchte sie nichts zu wissen. In beiläufigem Ton fragte ich: »Irgendwelche Neuigkeiten über die Krieger? Oder Marcus Finch?«
Stanton schüttelte den Kopf. »Nichts. Aber ich werde es Sie auf jeden Fall wissen lassen, falls wir etwas aufdecken.«
Ich antwortete mit einem höflichen Lächeln und zweifelte stark an ihren Worten. Meine Missionen für die Alchemisten hatten mir nicht immer gefallen, aber ich hatte den größten Teil meines Lebens damit verbracht, Anweisungen zu befolgen, ohne Fragen zu stellen, da ich glaubte, dass meine Vorgesetzten wussten, was das Beste war, und zum größeren Wohle handelten. Die jüngsten Ereignisse allerdings ließen mich jetzt daran zweifeln. Als sie die Pläne einiger verrückter Vampirjäger, die sich Krieger des Lichts nannten, vereitelt hatte, hatte Stanton mir Informationen vorenthalten und erklärt, dass wir nach dem Need-to-know-Prinzip agieren würden. Sie hatte es abgetan und mich dafür gelobt, eine gute Alchemistin zu sein, die eine solche Politik verstand. Aber ich hatte wegen des Zwischenfalls vor Wut geschäumt. Ich wollte niemandes Schachfigur sein. Zwar konnte ich akzeptieren, dass ein Kampf für eine größere Sache harte Entscheidungen bedeutete, aber ich weigerte mich, mich wegen »wichtiger« Lügen benutzen oder gar gefährden zu lassen. Ich hatte den Alchemisten mein Leben überantwortet und immer geglaubt, es sei richtig, was sie taten und mir sagten. Ich hatte gedacht, ich sei von solcher Bedeutung, dass sie immer auf mich aufpassen würden. Jetzt war ich mir da nicht mehr sicher.
Und doch … was konnte ich tun? Ich war den Alchemisten mit Schwur und Siegel verpflichtet. Ob mir das, was sie mit mir machten, nun gefiel oder nicht, es gab keinen Ausweg, keine Möglichkeit, sie infrage zu stellen …
Zumindest dachte ich das, bis ich von Marcus Finch erfuhr.
Ich hatte erst vor Kurzem von ihm gehört. Zunächst hatte ich entdeckt, dass er einmal die Pläne der Krieger des Lichts durchkreuzt hatte, indem er einem Moroi namens Clarence
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