Magisches Erbe
wir wohl mit dem zurechtkommen müssen, was da ist. Ich werde sehen, was ich am Morgen für Sie habe.«
Danach verabschiedete ich mich ins Bett – nicht dass ich noch viel Schlaf erwartete. Und als ich am nächsten Morgen in ihrem Geschichtskurs auftauchte, hielt sie tatsächlich Wort. Kurz vor dem Stundenklingeln kam sie an meinen Platz und gab mir ein altes Buch mit einem rissigen, roten Ledereinband. Der lateinische Titel ließ sich übersetzen mit: Elemente der Schlacht, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. Zauber, um Licht und Unsichtbarkeit zu schaffen, waren eine Sache. Ihnen wohnte eine praktische Notwendigkeit inne, die ich beinahe logisch erklären konnte. Aber Schlachtenzauber? Irgendetwas sagte mir, dass sie nicht ganz unproblematisch sein würden.
»Lesestoff fürs Flugzeug«, erklärte sie und sprach dabei mit ihrer gewohnten, zerstreuten Gelehrtenstimme. Doch ich konnte einen Schimmer der Besorgnis in ihren Augen sehen, die ich aus der vergangenen Nacht kannte. »Konzentrieren Sie sich nur auf den ersten Teil. Ich verlasse mich darauf, dass Sie Ihre Arbeit so gründlich wie immer machen – und noch etwas mehr.«
Keiner der anderen Schüler beachtete uns. Mein letzter Kurs des Tages war ein Spezialkurs zur Geschichte der Spätantike, für den sie mir als Lernmentorin zur Seite stand. Meistens benutzte sie diese Stunde, um mich Magie zu lehren. Es war also nichts Ungewöhnliches, dass sie mir Bücher gab.
»Und«, fügte sie hinzu, »falls Sie herausfinden könnten, wo sich diese Gegend befindet, wäre das sehr nützlich.«
Für ein paar Sekunden war ich sprachlos. Ein einzelnes Wohnviertel im Großraum von Los Angeles lokalisieren? »Das … ist ein sehr großes Gebiet, das ich dann abdecken muss«, sagte ich schließlich, wobei ich meine Worte mit Bedacht wählte, da wir Zeugen um uns herum hatten.
Sie nickte und schob die Brille auf der Nase nach oben. »Ich weiß. Die meisten Leute könnten es wahrscheinlich gar nicht.« Und mit diesem halben Kompliment kehrte sie zu ihrem Tisch vorne im Klassenraum zurück.
»Welches Viertel?«, fragte eine neue Stimme.
Eddie Castile war gerade eingetroffen und ließ sich an einem benachbarten Pult nieder. Eddie war ein Dhampir – er besaß eine Mischung aus menschlicher und vampirischer DNA , die aus der Zeit weitergegeben worden war, als die beiden Rassen sich gemischt hatten. Doch eigentlich war er von gewöhnlichen Menschen nicht zu unterscheiden. Mit seinem sandfarbenen Haar und den brauen Augen war die Ähnlichkeit zwischen uns auch so groß, dass sie unsere Tarngeschichte stützen konnte, wir seien Zwillinge. In Wirklichkeit nämlich war Eddie hier an der Amberwood als Leibwächter für Jill eingesetzt worden. Sie wurde von Dissidenten ihrer eigenen Art, den Moroi, gejagt, und obwohl wir seit unserer Ankunft in Palm Springs keinen von ihnen gesehen hatten, war Eddie immer auf der Hut und jederzeit kampfbereit.
Ich ließ das rote Lederbuch in meine Kuriertasche gleiten. »Frag nicht. Wieder einer von ihren bekloppten Aufträgen.« Keiner meiner Freunde – bis auf Adrian – wusste, dass ich an Ms Terwilligers Benutzung von Magie beteiligt war. Gut, auch Jill wusste natürlich davon, automatisch sozusagen. Alle Moroi besaßen irgendeine Art von elementarer Magie. Adrian hatte eine seltene und mächtige Magie namens Geist, die Wunderheilungen wirken konnte. Er hatte diese Magie benutzt, um Jill von den Toten zurückzuholen, als Attentäter sie getötet hatten. Jill war dadurch »schattengeküsst« – das heißt, es hatte ein psychisches Band zwischen ihnen geschaffen, das es Jill erlaubte, seine Gefühle zu spüren und manchmal durch seine Augen zu schauen. Jill wusste daher mehr über das, was zwischen Adrian und mir vorging, als mir lieb war.
Ich nahm meine Autoschlüssel aus der Tasche und reichte sie widerstrebend Eddie. Er war der Einzige, dem ich mein Auto anvertraute, und er durfte es sich immer borgen, wenn ich die Stadt verließ, für den Fall, dass er Besorgungen für unsere Gruppe machen musste. »Bitte sehr. Ich hätte den Wagen gerne heil zurück. Und lass Angeline nicht auf den Fahrersitz.«
Er grinste. »Sehe ich wie ein Selbstmörder aus? Ich werde ihn wahrscheinlich nicht mal brauchen. Bist du sicher, dass ich dich nachher nicht zum Flughafen fahren soll?«
»Du würdest den Unterricht verpassen«, sagte ich. Der einzige Grund, warum ich mit der Schule früher Schluss machen durfte, war die ungewöhnliche Art meines
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