Magisches Erbe
hatte also recht gehabt. Stanton hatte tatsächlich bemerkt, dass er in mich verliebt war. Sie hatte jedoch auch bemerkt, dass ich seine Zuneigung nicht erwiderte. Ihr entging nichts, selbst kleine Einzelheiten nicht, was mich an Marcus’ Warnungen erinnerte, dass die Alchemisten allem Beachtung schenkten, was wir taten. Ich begann, seine Ängste zu verstehen und warum er seine Rekruten so schnell da rausholte. Erregte ich bereits Aufmerksamkeit? Dienten all die Kleinigkeiten, die ich tat – selbst meine Bitte um diesen Besuch in St. Louis – mehr und mehr als Beweismaterial gegen mich?
Wieder hoffte ich, dass meine Furcht mich einfach wie ein verwirrtes, liebeskrankes Mädchen klingen ließ, mit dem Stanton Mitleid haben und über das sie den Kopf schütteln würde. St. Louis war mit dem Flugzeug nicht viel weiter entfernt, und das Endergebnis war das gleiche. »Nun, das war dienstlich, Ma’am. Ich wollte mich nicht von unserem Ziel ablenken lassen.«
»Natürlich.« Ihre nächste Pause dauerte nur einige Sekunden, aber sie kam mir vor wie eine Stunde. »Also gut, ich sehe keinen Grund, warum Sie nicht fahren sollten. Sie haben bewundernswerte Arbeit geleistet, und von der persönlichen Seite her kann ich durchaus verstehen, warum Sie wieder vertraute Gesichter sehen wollen. Sie haben mehr Zeit mit den Moroi verbracht als viele Alchemisten in ihrem ganzen Leben, und Sie haben nicht einmal gezögert, als sich dieser Ivashkov bei der Hochzeit an Sie herangemacht hat.«
Ich hatte eigentlich auch nicht gezögert, als er sich in der Verbindung an mich herangemacht hatte. Oder hatte ich mich an ihn herangemacht?
»Vielen Dank, Ma’am.«
Sie autorisierte mich, nächstes Wochenende zu fliegen, und sagte auch noch, ich könne die Reise mit Alchemistenmitteln buchen. Als wir auflegten, überlegte ich, Ian anzurufen, entschied mich dann aber für eine unpersönlichere Methode. Ich schrieb schnell eine E-Mail und teilte ihm mit, dass ich in der Stadt sein würde und hoffte, dass wir uns treffen könnten. Nach einigen Momenten des Nachdenkens simste ich dann Marcus: Arrangements getroffen.
Es wurde Mittag, und Eddie simste, um zu fragen, ob ich mich mit ihm und Jill in der Cafeteria meines Wohnheims treffen könne. Ich ging zur verabredeten Zeit nach unten und fand einen düster dreinblickenden Eddie, der allein an einem Tisch saß. Ich fragte mich, wo Angeline war, und dann fiel mir auf, dass er sie in seiner SMS gar nicht erwähnt hatte. Ich sprach ihn nicht darauf an, sondern konzentrierte mich auf die Person, die er erwähnt hatte.
»Wo ist Jill?«
Er deutete mit dem Kopf auf die andere Seite der Cafeteria. Ich folgte seinem Blick und sah Jill neben einem Tisch stehen. Sie lachte und redete und hielt ein Tablett in den Händen, als hätte man sie auf dem Weg von der Essensschlange angehalten. Micah und einige andere Jungen saßen am Tisch, und ich freute mich zu sehen, dass er sich damit wohlzufühlen schien, wieder mit ihr befreundet zu sein.
»Das ist schön«, sagte ich und wandte mich meinem eigenen Essen zu. »Ich bin froh, dass sie mit allen gut auskommt.«
Eddie sah mich erstaunt an. »Siehst du denn nicht, was da los ist?«
Ich hatte gerade in einen Apfel beißen wollen und hielt inne. Ich hasste diese Art von Fangfragen. Sie bedeuteten immer, dass mir irgendeine soziale Feinheit entgangen sein musste – sie waren nicht meine Stärke. Ich schaute wieder zu Jill hinüber und sagte Eddie, was ich am ehesten vermutete.
»Will Micah wieder mit ihr zusammen sein?«
»Natürlich nicht«, antwortete Eddie, als hätte ich das wissen müssen. »Er geht jetzt mit Claire Cipriano.«
»Tut mir leid, ich bin über das Liebesleben hier an der Schule nicht auf dem Laufenden. Ich werde es auf meine To-do-Liste setzen, nachdem ich Alchemistenverschwörungen aufgedeckt und herausgefunden habe, ob die Krieger hinter Jill her sind.«
Eddies Blick war auf Jill geheftet, und er nickte; ich hatte den Eindruck, dass er kein Wort von dem gehört hatte, was ich eben gesagt hatte. »Travis und Juan wollen mit ihr ausgehen.«
»Na und? Sie hat ihre Lektion gelernt, was Dates zwischen Menschen und Vampiren betrifft.« Ich wünschte, ich könnte das auch von mir behaupten. »Sie wird ihnen einen Korb geben.«
»Sie sollten sie trotzdem nicht belästigen«, knurrte er.
Jill schien sich von ihrer Aufmerksamkeit nicht besonders belästigt zu fühlen. Ich war sogar froh, sie zur Abwechslung mal strahlen und lächeln zu sehen.
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