Magma
Licht.
Ella sah sich um. Die Hütte war wirklich spartanisch eingerichtet. Ein Bett, ein Schrank, ein Tisch mit vier Stühlen, sowie einige klapprig aussehende Regale, in denen allerlei Werkzeuge lagen. In einer Ecke des Raumes stapelten sich eiserne Schnappfallen, und an den Wänden hingen Felle in jeder Größe und Form. Ihnen entströmte ein Geruch, der Ella unangenehm in die Nase stieg. Süßlich und irgendwie moderig schien er die gesamte Hütte zu durchdringen. Jede Fuge, jede Ritze und jeden Balken. Das Holz der Decken und Wände war beinahe schwarz, und Ella hegte keinen Zweifel daran, dass es sich über die Jahre durch den Gestank verfärbt hatte.
»Prissaschywajtiss’ paschalssta.«
Der Russe deutete mit einer einladenden Geste auf die Stühle. Professor Martin ließ sich das nicht zweimal sagen. Schwer atmend ließ er sich auf einen der wackeligen Stühle sinken. Die Arme auf den Tisch gestützt und den Kopf gesenkt, sah er wirklich erbärmlich aus. Ihr Gastgeber deutete auf ihn und stellte eine Frage, die Ella nicht verstand. Entschuldigend zuckte sie mit den Schultern.
»Fühlt er sich nicht wohl?« Die Frage war in verständlichem, wenn auch gebrochenem Englisch. Ella hob überrascht den Kopf.
»Sie sprechen unsere Sprache?«
»Nur ein wenig, fürchte ich. Ich habe sie lange nicht mehr gesprochen. Ist etwas – wie sagt man –
eingeschlafen?
«
»Eingerostet. Aber warum haben Sie denn nichts gesagt?«
Alexej grinste. »Sie haben nicht gefragt. Was ist mit Ihrem Kollegen?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Ella besorgt. »Vorhin im Auto war noch alles in Ordnung. Vielleicht hat er sich überanstrengt. Vielleicht ist es die Kälte.«
Der Russe nickte. »Kommen Sie. Helfen Sie mir, ihn neben das Feuer zu legen. Er sieht aus, als würde ihm etwas Schlaf gut tun.« Ella half, dem Professor Stiefel und die Mütze auszuziehen, dann legten sie ihn auf ein paar Decken, die Alexej in der Nähe des Kamins ausgebreitet hatte. Konrad Martin war wirklich in einem erbärmlichen Zustand. Er schlotterte am ganzen Leib, und seine Haut hatte die Farbe von Beton. »Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist«, stammelte er, die Worte nur mühsam hervorpressend. »Ich fühle mich, als wäre ich unter einen Bus gekommen.«
»Wahrscheinlich ein grippaler Infekt«, versuchte Ella ihn zu beruhigen. »Sie sollten jetzt erst mal eine Runde schlafen. Ich werde ihnen noch ein paar Decken auflegen. Schwitzen Sie schön, das ist die beste Medizin.« Sie lächelte. »Hat zumindest meine Großmutter immer gesagt. Morgen werden Sie sich bestimmt besser fühlen. Was schnell kommt, geht auch meistens wieder schnell.« Sie breitete noch eine Decke über ihm aus. Dann legte sie ihre Hand auf seine Stirn. Sie war eiskalt. »Schlafen Sie schön. Ich komme hier schon klar.«
Martin schenkte ihr noch ein entschuldigendes Lächeln, dann schloss er die Augen. Binnen Sekunden war er eingeschlafen. Ella stand auf und setzte sich neben den Russen, der soeben ein Kaninchen aus seinem eiskalten Vorratsschrank geholt hatte. Augenscheinlich ihr Abendessen. Mit ruhigen, kraftvollen Bewegungen machte er ein paar Schnitte an Vorder- und Hinterläufen sowie am Hals, dann zog er dem Tier das Fell ab wie einen Handschuh. Der Wolf, der bisher ruhig in der Ecke gelegen hatte, kam näher und fuhr sich mit der Zunge ums Maul. Ella konnte einen Blick auf seine riesigen Zähne werfen. Er war offenbar genauso hungrig wie sie.
»Schläft er?« Alexej weidete das Kaninchen aus und warf dem Wolf die Innereien zu. Er schnappte sie noch in der Luft und verzog sich damit wieder in den dunklen Teil der Hütte.
»Ja.« Ella unterdrückte ihr Unwohlsein, das sie angesichts des Schmatzens und Reißens befiel. »Ich hoffe, es ist nichts Ernstes. Ich bin ehrlich gesagt recht besorgt. So habe ich ihn noch nie gesehen.«
»Wird schon werden«, sagte der Jäger und schlug dem Kaninchen den Kopf ab. »Wenn er nachher immer noch so blass ist, werden wir ihn mit etwas Wodka einreiben. Das bringt die Lebensgeister zurück. Apropos: Möchten Sie einen Schluck?«
Sie überlegte kurz, dann nickte sie. »Gern. Ich könnte jetzt etwas für die Nerven brauchen.«
Der Mann stand auf, nahm einen Eisenspieß, der neben dem Kamin stand und rammte ihn dem unglücklichen kleinen Nager durch den After, dass er vorn am Hals wieder austrat. Dann hängte er das Tier über das Feuer. Mit einer halbvollen Flasche sowie zwei Wassergläsern kehrte er an den Tisch zurück. Er goss
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