Magma
vor Staub und Beschädigung schützte. Die Verteilung dieser Lichtmuster war ihr vertraut. »Diese Dioden stellen Orte mit seismischen Aktivitäten dar, nicht wahr?«, sagte sie.
»So ist es«, antwortete Sergeant Masters. »Überall dort, wo die Erdkruste zurzeit instabil ist, blinkt ein Licht. Wenn es irgendwo anfängt zu rumpeln oder ein unterseeischer Vulkan ausbricht, erfahren wir das als Erste und können die Informationen weiterleiten. Das ist unerlässlich, damit die U-Boote ihre Programmdaten rechtzeitig aktualisieren können. Es könnte sonst zu Unfällen oder zu Verwechslungen mit U-Booten anderer Nationen kommen. Dergleichen gab es früher oft. Seit wir das neue satellitengestützte Frühwarnsystem haben, geschieht das nicht mehr.« Der Stolz in ihrer Stimme war unüberhörbar. »Die gesamte Flotte verlässt sich auf uns. Ausgenommen natürlich unsere Atom-U-Boote, die völlig autark sind. Sie können die Nachrichten direkt aus dem Satelliten ziehen.«
Ella hörte nur mit einem halben Ohr hin. Ihr Blick hing wie gebannt auf dem Modell. Sie war mit den aktiven Erdbebenzentren bestens vertraut. Beinahe täglich rief sie die aktuellen Karten auf ihrem Computer ab. Dort waren die Aleuten, Kurilen und Riukiu-Inseln, da die Philippinen, Neuguinea, die Salomonen und die Neuen Hebriden. Der gesamte pazifische Feuerring. Alles stimmte bis ins Detail. Und doch …
»Was ist denn das hier?«, fragte sie und deutete auf eine Leuchtdiode am oberen Ausläufer des Marianengrabens.
»Das«, sagte Sergeant Masters, »ist das Problem.«
»Inwiefern?«
»Sehen Sie, vor einer Stunde kam die Nachricht, dass sich die Aktivität in der Challengertiefe dramatisch erhöht hat. Die Ausschläge sind von zwei Komma drei auf drei Komma sechs angestiegen. Die Geräusche, die dabei entstehen, sind so stark, dass sie auf sämtlichen installierten Hydrophonen der NOAA hörbar sind. Jene Darstellung, die ich Ihnen vorhin gezeigt habe.«
»Die
National Oceanic and Atmospheric Administration
«, raunte Esteban ihr zu. »Sie betreibt ein weltumspannendes Netz von Unterwassermikrofonen. Manche zur Erforschung geologischer Aktivitäten, manche zur Beobachtung mariner Lebensformen. Doch die meisten aus militärischen Gründen.«
Ella nickte. An Sergeant Masters gewandt fuhr sie fort: »Wo ist der Zusammenhang zwischen den Ausschlägen, die aus der Challengertiefe kommen und
dem da
? Immerhin liegen beinahe eintausend Kilometer dazwischen.«
»Der Zusammenhang besteht darin«, erläuterte Masters, »dass die Erhöhung der Challenger-Aktivität überall zu neuen unterseeischen Vulkanausbrüchen führt. Wir empfangen Vibrationen entlang der gesamten Verwerfung. Überall sind neue Risse entstanden, durch die Magma nach oben dringt. Die Wassertemperatur ist an manchen Stellen bereits auf über fünfzig Grad Celsius gestiegen. Überdies besteht die Gefahr von Hangrutschungen. Was das bedeutet, wissen Sie ja.«
»Allerdings«, bestätigte Ella. »Seebeben und Flutwellen wären die Folgen.«
»
Tsunamis
.« Die Miene des Admirals verdüsterte sich. »Von allen Naturgewalten, mit denen man es auf dem Meer zu tun hat, sind dies die schlimmsten. So etwas vergisst man nie wieder, wenn man es einmal erlebt hat.«
»Seebeben ereignen sich meist weit draußen auf offenem Meer«, erläuterte Ella. »Die daraus resultierenden Wellen breiten sich über eine Fläche von mehreren hunderttausend Quadratkilometern aus. Sie erreichen dabei Spitzengeschwindigkeiten von annährend tausend Stundenkilometern. Interessanterweise sind die Auswirkungen eines solchen Bebens auf der offenen See kaum zu spüren. Es gibt vielleicht einen kleinen Hopser, aber das war’s. Gelangt eine solche Welle aber in die flachen Küstenregionen, wird sie abgebremst. Entsprechend dem Naturgesetz der Energieerhaltung wandelt sich die Bewegungsenergie in Masseenergie um. Das heißt, die Welle schwillt an. Sie wird größer und vor allem höher und kann so beim Auftreffen auf die Küste weit ins Landesinnere vordringen. Wie am 26 . Dezember 2004 . Die indisch-australische Platte hob sich damals ruckartig um zehn Meter gegen die eurasische, und das auf einer Länge von fünfhundert Kilometern. Die Folge: eine satte 9 auf der Richterskala. Dagegen ist unser Beben hier nur ein harmloser Schluckauf.«
Der Admiral nickte. »Eine schreckliche Tragödie. Die Folgen waren selbst an der sechstausend Kilometer entfernten Ostküste Afrikas zu spüren.« Er schüttelte den Kopf.
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