Magma
den Ablauf der Rettungsaktion ein. Die
Shinkai
befand sich außerhalb der Reichweite des Lastkrans. Es bestand also nur die Möglichkeit, sie mit Seilwerfern näher heranzuholen. Zu diesem Zweck waren zwei Männer mit entsprechenden Schussvorrichtungen ausgestattet worden. Myagoshi wies die beiden an, nach vorn zu treten. Während der eine mit seiner Armbrust auf das Gestänge der Heckrotoren zielte, nahm der andere den Turmaufbau des U-Bootes ins Visier. Zweimal knallten die Druckluftpatronen, zweimal flogen die Edelstahlhaken, gefolgt von hauchdünnen Karbonfaserleinen, durch die regennasse Luft. Ein kurzer Moment atemloser Spannung, dann erleichtertes Aufatmen. Beide Haken hatten ihr Ziel erreicht. Das Manöver konnte beginnen.
Die Schützen aktivierten die elektrischen Kabeltrommeln, die sie fest am Fuße des Krans verankert hatten. Die Motoren jaulten auf, während sie versuchten, das tonnenschwere Boot in die Reichweite des Krans zu ziehen. Die Leinen spannten sich und knarrten besorgniserregend. Die Männer wichen ein Stück zurück. Eine zerfetzte Kohlefaserleine konnte Überschallgeschwindigkeit erreichen. Wer von ihr getroffen wurde, durfte sich glücklich schätzen, wenn er nicht in zwei Hälften zerteilt wurde.
Während alle den Atem anhielten, setzten sich die Trommeln in Bewegung. Stück für Stück wurde das Seil aufgewickelt. Myagoshi lächelte erleichtert. Die Leinen hielten. Anfangs noch sehr langsam, doch dann mit merklich sichtbarem Erfolg rückte der weiß-orange Bootskörper näher. Der erste Offizier fühlte sich an die Jagd auf den weißen Wal erinnert, an einen alten Film mit Gregory Peck.
Noch zwanzig Meter … fünfzehn …
Die
Shinkai
war in Reichweite.
Jetzt konnte der schwierige Teil beginnen. Myagoshi gab dem Kranführer über Funk das Signal, den Ladearm auszuschwenken. Atemlose Minuten vergingen, ehe das Fahrzeug endlich nahe genug war und der zehn Meter lange Arm des Krans die Turmspitze des U-Bootes erreichen konnte. An dessen Oberkante befand sich ein Haltebügel, mit dem das Schiff stabilisiert werden konnte, während es von der Hebebühne zu Wasser gelassen wurde. Die Klammervorrichtung verfügte über eine magnetische Verriegelung, die den Greifvorgang erleichterte. Nun wurde die Kette über dem Turm der
Shinkai
herabgelassen. Myagoshi konnte erkennen, wie der starke Elektromagnet der Greifkralle vom Metall des Haltebügels angezogen wurde. Der Kranführer stand vor der schier unlösbaren Aufgabe, den Wellengang durch das Verlängern oder Verkürzen der Schleppkette auszugleichen. Ein paarmal sah es so aus, als hätte er es geschafft, doch jedes Mal verfehlte die Kralle den Turm um Haaresbreite. Nach fünf endlos scheinenden Minuten gelang das Manöver. Endlich. Der Greifer packte den Haltebügel mit einem harten metallischen Schlag, und die metallenen Krallen schlossen sich. Sie hatten es geschafft. Myagoshi nickte erleichtert. Der schwierigste Abschnitt der Bergungsoperation war gemeistert. Doch jetzt kam das Manöver, vor dem ihm persönlich am meisten graute. Das Öffnen des Tauchbootes. Waren die Wissenschaftler verletzt? Waren sie überhaupt noch am Leben – und wenn nicht, welchen Anblick boten ihre Leichen? Nein, so durfte er nicht denken. Er rief sich zur Disziplin. Wahrscheinlich war die Mannschaft nur aufgrund technischer Probleme nicht in der Lage gewesen, sich zu melden. Er schob sein Kinn vor und gab weitere Befehle. »Brücke auslegen«, sagte er mit befehlsgewohnter Stimme. »Sind die Haken eingerastet? Gut. Aufpassen beim Rüberlaufen. Ihr beide zuerst.«
Zwei seiner Männer, beide mit Schneidbrennern bewaffnet, tasteten sich vorsichtig hinüber auf das Achterdeck der
Shinkai
. Myagoshi folgte ihnen über den schmalen, schlingernden Eisensteg. Sein Blick war starr auf die Turmspitze des U-Bootes gerichtet. Insgeheim hoffte er, dass sich die Luke jeden Moment öffnete und ihm ein paar müde Wissenschaftler entgegenwinkten. Doch nichts geschah. Mit finsterem Blick, einen weiteren Wartungstechniker sowie einen Arzt im Schlepptau, erklomm er die Leiter, die auf den Turm führte. Ein schwieriges Unterfangen. Das U-Boot torkelte wie ein betrunkener Seemann auf Landurlaub. Als er mit einem flauen Gefühl im Magen oben anlangte, winkte er dem Rest des Trupps zu, sich in Bereitschaft zu halten. Zeit war kostbar. Der Sturm schien in den letzten Minuten wieder an Heftigkeit zugenommen zu haben. Myagoshi beugte sich vor und drehte am Rad für das Schott. Es ließ
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