Magma
Nucléaire. In diesen Labors, die sich tief in den Alpen vor dem Rest der Welt verbergen, befassen wir uns mit der Suche nach extraterrestrischem Leben.«
Ella hob erstaunt die Augenbrauen. »Dann gehören Sie der Forschungsgruppe SETI an?«
»Nein. Unser Arbeitsfeld ist sehr viel weitreichender, als dass wir einfach ein Ohr in den Weltraum richten und hoffen, dass uns irgendwann Signale von einer intelligenten Spezies erreichen. Das mag für angehende Astrophysiker interessant sein, doch wir verfolgen einen anderen Ansatz. Wir suchen die Erde selbst nach Spuren fremder Intelligenz ab. Sehen Sie, unser Planet ist wie ein Schwamm, der seit Milliarden von Jahren alle möglichen Teilchen und Brocken in sein Schwerefeld einsaugt. Kometen, Meteoriten, Tektiten. Täglich prasselt Material aus dem Weltraum auf uns herab, in einem Prozess, der seit Bestehen der Erdkruste andauert. Das meiste davon ist einfach nur totes Gestein, doch einige dieser Brocken enthalten Lebensbausteine, zum Beispiel rudimentäre Aminosäuren. Könnte es nicht sein, dass sich darunter versteckte Botschaften aus dem All befinden? Dieser Theorie wurde bisher viel zu wenig Bedeutung beigemessen. Natürlich ist die Erdoberfläche ständigen Veränderungen unterworfen. Was heute noch der Grund eines Ozeans ist, ist morgen schon die Spitze eine Gebirges. Oberflächen werden überdeckt und in tiefere Schichten gepresst, wo sie durch Druck und Hitze aufschmelzen und neue Gesteine bilden. Es macht also wenig Sinn, immer nur an der Erdoberfläche zu suchen, wenn sich die Spuren fremden Lebens auch tief im Inneren verbergen könnten. Deswegen beschäftigen wir in unseren Labors alle möglichen Arten von Wissenschaftlern. Geologen, Seismologen, Radiologen, Exobiologen und Klimatologen. 1954 fand ein italienischer Geologe namens Francesco Mondari ein rätselhaftes Objekt in den Südtiroler Alpen, gar nicht weit entfernt von hier. Es handelte sich um eine perfekte Kugel.« Sie warf Ella einen verschwörerischen Blick zu. »Sie war in einen massiven Block aus Korallen eingebettet, was eine ungefähre Datierung zulässt. Sie muss vor zweihundertfünfzig Millionen Jahren auf den damaligen Meeresgrund gelangt sein und wurde dann von Korallen überwuchert. So weit, so gut. Mondari machte sich also daran, die Kugel zu untersuchen, doch das graue, metallische Material widerstand allen seinen Bemühungen. Es war härter als Diamant und elastischer als Stahl. Er nannte das Material
Adamas
.«
Beim Klang dieses Namens blickte Ella überrascht auf. »Dieser Mondari verfügte wohl über eine gute humanistische Bildung …«
»Was meinen Sie damit?«
»Adamas, das Unbezwingliche«, erläuterte Ella. »Ein Metall aus der griechischen Mythologie. Härter als alles, was es auf Erden gibt. Der Name
Diamant
leitet sich übrigens davon ab. Gaea, die Göttin der Erde, überreichte dieses Metall ihren Kindern, den Titanen, die vom Vater ins Erdinnere verbannt worden waren, mit dem Ansinnen, ihn zu töten. Vielleicht ist der italienische Professor ja auf einen dieser Titanen gestoßen.« Sie stockte, als ihr die Bedeutung ihrer Worte klar wurde. »Genau wie wir …«
»Interessante Geschichte. Vielleicht sollte ich meine Erinnerung in Bezug auf die antiken Klassiker mal wieder auffrischen.« Helène Kowarski schien kurz in Gedanken zu versinken, dann sagte sie: »Glücklicherweise teilte uns dieser Professor seine Ergebnisse in einem Tagebuch mit. Was kurz darauf geschah, darüber können wir nur spekulieren. Er verschwand – und zwar buchstäblich von einer Minute auf die andere. Ein Bergrettungsteam, das am folgenden Morgen die Suche aufnahm, fand nur seine geologische Ausrüstung, seinen Wanderstock und besagtes Tagebuch.«
Ella strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dass Mondari auf eine kleinere Version der Marianenkugel gestoßen zu sein schien, war in der Tat beunruhigend. Es warf die Frage auf, wie viele dieser Objekte es noch geben mochte. Obwohl sie langsam eine Verbindung zu erkennen glaubte, wollte sie weiter die Ahnungslose spielen. Es war immer noch unklar, wie viel die Schweizer wirklich wussten. »Alles gut und schön«, sagte sie. »Doch ich verstehe immer noch nicht, wie uns das weiterführen soll. Was hat dieses Tagebuch mit der Expedition der
Shinkai
zu tun?«
»Ich dachte, Sie ahnten es bereits. Aber ich kann Ihnen auf die Sprünge helfen. Würden Sie gern das Objekt sehen, das mein Vater in den Alpen gefunden hat?« Ohne eine Antwort
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