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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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vom Stammvater Abraham, der auf Befehl Gottes bereit war, seinen Sohn zu schlachten, von Fanatikern, die zu Ehren ihres Gottes Unschuldige in die Luft sprengten, nur weil die an einen anderen Gott glaubten, von Kreuzzügen und Hexenverbrennungen und all den anderen geistigen Verirrungen.
    So anfällig unsere Blühenden für die Wunder des Glaubens auch waren, die dunkle Seite der Religion erfüllte ihre Kinderseelen schon bald mit solcher Abscheu, dass sich viele von ihnen ihrer abartigen Neigung wegen schämten. Die Unbelehrbaren aber fielen mehr und mehr dem Spott der Mehrheit zum Opfer.
    Jakaranda befand sich zu der Zeit, von der ich hier berichte, in einem Alter, in dem den heranreifenden Blühenden die Droge unter die Haut gepflanzt wird. Als Mädchen wäre er gewiss in den Orden erhoben worden. Als Knabe war ihm die Aufnahme verwehrt. Er betreute seit einem Jahr die Pferde auf der Garteninsel Hakahana, auf der auch Merimé ihr landwirtschaftliches Jahr verbracht hatte.
    Dort besuchte ich ihn, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot. Das war nicht oft, aber doch wohl schon zu viel, denn die Prinzipalin der Plantage verwunderte sich bereits, wenn sie mich bei den Pferdeställen antraf: »Wie kann man nur so vernarrt in diese dummen Tiere sein?« Man sah ihr an, dass sie Pferde nicht mochte. Sie hatte sich bei einem Reitunfall die Beine gebrochen und stützte sich seitdem auf einen Krückstock.
    Ich hatte meine Freude an den edlen Tieren, noch mehr an den Blühenden, die sie ritten, vor allem an meinem Sohn. Mein Sohn! Welch ein Wort!
    Er überragte alle anderen an Kraft und Gewandtheit. Welch ein Bild, wenn er nackt und sonnengebräunt in wildem Galopp dahinstob! Wie sehr sehnte ich mich danach, ihn in meine Arme zu schließen. Ob er mich überhaupt wahrnahm? Eine Ordensfrau, die sich für Pferde interessierte?
    Mit seinen leuchtend blauen Augen erregte er überall Erstaunen. Er war nicht zu übersehen.
    Und doch war er plötzlich und auf rätselhafte Weise verschwunden. Einfach so, wie vom Erdboden oder, richtiger, vom Ozean, verschluckt. Es hieß, er habe vor Sonnenaufgang ein Schiff bestiegen, um gemeinsam mit anderen Knaben die Hauptinsel zu besuchen. Dort war er aber nicht angekommen. Der Bootsmann erinnerte sich, den Vermissten bei der großen Halle an Land gesetzt zu haben. Eine auffallend hagere Gestalt im Ordensornat habe ihn am Landungssteg erwartet. Später widerrief er seine Aussage. Es sei noch zu dunkel gewesen, um eine genaue Beschreibung abgeben zu können. Der Fahrgast habe eine Kapuze getragen.
    Er wird in ein paar Tagen wieder auftauchen, sagten die, die ihn näher kannten. Ein Glückskind wie der geht nicht verloren.
    Sie irrten. Die Tage verrannen, Jakaranda blieb verschwunden, und meine Sorge um ihn wuchs. Irgendetwas war ihm zugestoßen. Aber was?
    Das Meer war seit Tagen so glatt wie ein Süßwassersee, und zudem war Jakaranda ein guter Schwimmer.
    Ein Hai, hieß es schon bald. Es kann nur ein Hai gewesen sein. Haiattacken auf Menschen kamen zwar nur sehr selten vor, aber einer mit so auffallend hellem Haar, hell wie ein Fischbauch, forderte der nicht die Angriffslust der Haie heraus? Das klang überzeugend, aber ich glaubte nicht daran. Es erschien mir unmöglich. Ich wollte es nicht wahrhaben und litt wie ein Vogel in den Krallen der Katze.
    Am Ende stellte ich mir nach durchwachter Nacht die Frage: Habe ich ihn wirklich verloren? Wie kann man verlieren, was einem nie gehört hat? Er hat immer getrennt von mir gelebt. Dass er lebte, dessen war ich mir ganz sicher.
    In meinen Träumen ritten wir über die Wiesen von Hakahana, schwammen mit den Delfinen in der Mondfischbucht. Ein Hai begegnete uns. Jakaranda streichelte lachend seine Rückenflosse, als wollte er klarstellen: Der tut mir nichts.

23. KAPITEL
    I ch erwachte von einem Geräusch.
    Der Mondschein war der Morgendämmerung gewichen. Noch schwiegen die Zikaden. Gleichmäßig schlugen die Wellen gegen die felsige Küste. Ein vertrautes Geräusch.
    Aber bewegte sich da nicht etwas? Ich hielt den Atem an. Und nun vernahm es ganz deutlich: Schritte auf dem Kiesweg unter meinem Fenster. Sie näherten sich der Haustür, verharrten dort abwartend.
    Ein Besucher! Um diese Tageszeit!
    Noch bevor ich die Tür öffnete, wusste ich, dass mir eine böse Begegnung bevorstand. Aber die Elendsgestalt, die mir dann im Türrahmen entgegenwankte, übertraf meine Befürchtung: ein Mensch am Ende seiner Kräfte, nackt und abgemagert. Das Haar fiel

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