Magnolia Haven 01 - Morgendammerung
machen.«
»Ist das nicht zu gefährlich? Was ist, wenn wir gesehen werden?«
Er winkte ab. »Hier kennt uns niemand, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir in einer Stadt mit über 500.000 Einwohnern ausgerechnet jemandem begegnen, der weiß, wer wir sind.« Nach einer kurzen Pause fügte er schmunzelnd hinzu: »Außerdem halte ich es für viel gefährlicher, die ganze Zeit hier mit dir im Zimmer zu bleiben – du wirst morgen nicht mehr sitzen können, wenn das so weitergeht.«
Gespielt vorwurfsvoll knuffte sie ihn in die Rippen. »Das werde ich auch so nicht – du warst heute Mittag nicht gerade sehr zurückhaltend.«
Erschrocken schaute er sie an. »Habe ich dir wehgetan?«
Sie lachte. »Nein, es ist alles in Ordnung. Im Gegenteil, ich fand es äußerst … aufregend.«
»Jo«, er packte ihren Arm und schob sie zur Tür, »kein weiteres Wort, sonst fällt das Abendessen aus.«
Wenig später saßen sie in einer der unzähligen Musikbars, die sich am Broadway aneinanderreihten. Jake bestellte zwei Portionen Brunswick Stew, dazu für sich ein Glas Rotwein, für Joanna ein Mineralwasser.
»Schade, dass du den Wein nicht trinken darfst, er ist wirklich hervorragend«, sagte er bedauernd. »Aber ich will keinen unnötigen Ärger riskieren.«
»Das macht nichts«, lächelte sie. »Du kannst mich nachher draußen vor der Tür küssen, und dann werde ich ausgiebig davon kosten.«
Jake verschluckte sich beinahe und warf ihr einen tadelnden Blick zu. »Joanna Shepherd, du bist ganz schön unanständig, weißt du das?«
»Nun Mr. Prescott, Sie sollten sich nicht beklagen, schließlich sind Sie mein Lehrmeister.«
Sie neckten sich eine Weile, aßen, und lauschten der Livemusik. Zwischendurch unterhielten sie sich, Joanna berichtete von ihrem Seminar und schwärmte von ihrer Arbeit.
Lächelnd hörte Jake ihr zu, und war aufs Neue fasziniert von dem Eifer, mit dem sie sich für alles interessierte.
»Sieht so aus, als ob es dir in der ‚Prescott Cotton Company‘ gefällt«, stellte er schmunzelnd fest. »Muss ich am Ende Angst haben, dass du mir meinen Job wegnimmst?«
»Das hatte ich nicht vor, aber jetzt, wo du das so sagst … vielleicht sollte ich mal drüber nachdenken«, erwiderte sie scherzend. »Dafür müsste ich allerdings erstmal wissen, was du eigentlich den ganzen Tag so treibst.«
Er grinste. »Aha, ich sehe schon, du denkst wohl, ich sitze nur da, scheuche die Angestellten herum und zähle das Geld, ja?«
»So ungefähr«, gab sie verlegen zu.
Ein leises, tiefes Lachen von ihm löste ein warmes Kribbeln in ihrem Bauch aus. »Nein, da muss ich dich enttäuschen. Auch wenn es so aussieht, als ob ich nur auf der faulen Haut liege, habe ich einiges zu tun. Ich bin häufig unterwegs, schaue mich nach neuen Absatzmärkten um oder pflege bestehende Geschäftsverbindungen. Kunden zu akquirieren und bereits gewonnene Abnehmer zu betreuen ist ein wichtiger Bestandteil in unserer Branche, das überlasse ich nicht gerne einem Angestellten. Hin und wieder besuche ich Messen, um mich über aktuelle Technologien und Produkte zu informieren. Doch du hast recht, der Hauptanteil meiner Arbeit besteht darin, am Schreibtisch zu sitzen und den Überblick zu behalten. Es muss alles koordiniert und organisiert werden, das erfordert viel Zeit und Geduld.«
»Das sind eine Menge Aufgaben für eine Person«, stellte sie fest.
»Ich bin ja nicht ganz alleine«, erklärte er, »Tom unterstützt mich, er betreut und kontrolliert regelmäßig unsere Plantagen und Fabriken.«
»Aber du trägst die Verantwortung für alles.«
»Ja, seit unser Vater …«, er stockte kurz und fuhr dann fort: »Unser Vater hatte vor einer Weile einen schweren Schlaganfall. Zuerst haben wir befürchtet, er würde nicht durchkommen, doch jetzt ist er in einem Sanatorium, und wir hoffen, dass er sich irgendwann wieder erholt.«
Mitfühlend griff sie nach seiner Hand, strich sanft über die feinen Härchen auf seinem Handrücken. »Das tut mir sehr leid.«
Einen Moment schaute er sie abwesend an, dann schloss er seine Finger um die ihren, drückte sie liebevoll und lächelte. »Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt zum Trübsal blasen. Lass uns noch ein bisschen Downtown unsicher machen.«
Er zahlte, und wenig später bummelten sie eng umschlungen den Broadway entlang. Nach einer Weile bestand Jake darauf, in einem der unzähligen Shops ein paar Cowboystiefel für Joanna zu kaufen. Nachdem sie etliche Modelle anprobiert hatte,
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