Magnolia Steel - Hexenflüstern (German Edition)
zusehen, dass wir den Beryll so schnell wie möglich zu fassen kriegen, und dann zügig von hier verschwinden.«
»Dasselbe denke ich auch. Bin gespannt, was Oswald uns gleich zu sagen hat. Da ist der Pavillon!«
Die Hexen hatten Glück. Außer ihnen war niemand im Park unterwegs, da die meisten Teilnehmer des WWC schon mit den Vorbereitungen für den abendlichen Ball beschäftigt waren.
An dem Platz, den Jeppe beschrieben hatte, waren vier marmorne Steinquader um einen Tisch gruppiert. Linette nahm ihren Zauberstab und deutete auf den ersten Quader. »Niets kuruz!«, befahl sie. Sofortklickte es, als hätte sich ein Mechanismus in Gang gesetzt. Knarzend glitt der schwere Stein zur Seite. Unter ihm befand sich der schwarze Eingang zum Tunnel.
»Worauf warten wir noch?«, fragte Linette und schob Runa sanft voran. Vorsichtig tasteten sie sich die ausgetretenen Stufen hinunter. »Fiat lux«, murmelten die Hexen gleichzeitig und die Spitzen ihrer Zauberstäbe leuchteten im Dunkeln. Der Schmugglertunnel war in einem besseren Zustand als befürchtet, es schien, als würde er bis heute benutzt. Eilig hasteten Runa und Linette durch den niedrigen Gang Richtung Meer. Doch plötzlich blieb Runa stehen.
»Achtung«, flüsterte sie. »Ich höre etwas. Es klingt wie der Atem eines Drachen.«
Linette spitzte die Ohren. Tatsächlich schwoll ein Geräusch an und ab. Mit einem Drachen hatte es allerdings wenig zu tun. »Du hörst das Meer, meine Liebe«, sagte sie gutmütig. Und wirklich, hinter der nächsten Biegung endete der Tunnel in einer großen Höhle, die sich zum Meer hin öffnete.
Es brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie die Schmuggler hier einst ihre Waren versteckt hatten. Nachdem sie in stürmischen Nächten schwerbeladene Handelsschiffe auf die todbringenden Felsen gelockt hatten, die wie spitze Haifischzähne aus dem Wasser ragten. Noch immer lagen Segeltuch, Taue und Seemannskisten in der Höhle herum. Die Hexen sahen sich neugierig um. Da hörten sie zwischen dem Rauschen der Wellen das Knirschen von Kies. Ein Boot wurde auf den Strand gezogen und Oswald, der Klabauter, stapfte in hohen Stiefeln zur Höhle hinein. Misstrauisch sah er sich um.
»Sind Sie sicher, dass man Ihnen nicht gefolgt ist?«, fragte er vorsichtig. Als Runa und Linette nickten, führte er sie tiefer in die Höhle hinein.
»Nehmen Sie Platz«, sagte er höflich und deutete auf ein paar Holzkisten.
»Wir hatten allerdings zwischenzeitlich Besuch von den Gorgonen«, erzählte Linette, nachdem sie sich vorsichtig auf eine mit Seetang behangene Kiste gesetzt hatte.
Oswald kratzte sich sorgenvoll den Bart. »Die Sache entwickelt sich leider nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben«, erklärte er. »Man könnte sogar sagen, sie läuft aus dem Ruder.« Umständlich stopfte der Klabauter seine weiße Meerschaumpfeife.
Das waren alles andere als beruhigende Neuigkeiten. Besorgt sahen die Hexen sich an. »Wenn er nicht bald zur Sache kommt, mache ich ihm Feuer unter dem Hintern«, nuschelte Runa aus einem Mundwinkel.
Endlich brannte die Pfeife und der Klabauter stieß paffend blaue Rauchwölkchen in die Luft.
»Ich will Ihnen kurz erzählen, was bisher geschehen ist. Wie Sie wissen, wurde das Versteck des Berylls von den Gorgonen entdeckt. Dank unserer immerwährenden Aufmerksamkeit ist es jedoch gelungen, die Brille rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, bevor die Gorgonen sich ihrer bemächtigen konnten.«
»Bravo!!!«, applaudierte Runa leise und nur Linette wusste, dass es spöttisch gemeint war.
»Jetzt ist uns natürlich daran gelegen, Ihnen den Beryll so schnell wie möglich zu übergeben …«
»Im Interesse Ihrer eigenen Sicherheit, nehme ich an«, bemerkte Runa bissig.
»Stimmt«, gab Oswald unumwunden zu. »Also wird es Sie sicher nicht erstaunen, wenn ich Ihnen sage, dass wir bereits vor Tagen einen Boten mit einem Brief zu Ihnen geschickt haben. Darin standen Ort und Zeit der Übergabe.« Jetzt seufzte der Klabauter tief. »Es weht zurzeit kein günstiger Wind. Um es kurz zu machen: Der Bote wurde von den Gorgonen entdeckt und ausgeschaltet.«
»Sie meinen, er wurde versteinert?«, fragte Linette grimmig. Oswald nickte betrübt.
»Einer unserer besten Männer! Es ist grauenvoll. Seine steinerne Statue steht jetzt am Bug unseres Schiffes. So hat er wenigstens einen schönen Ausblick über das Meer.« Der Klabauter zog ein Taschentuch heraus und putzte sich kräftig die Nase.
»Eine abscheuliche Tat«,
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