Magnolia Steel - Hexenflüstern (German Edition)
bestimmt passt es dir.« Su-Li öffnete den Karton, schlug das Seidenpapier zurück und nahm das Kleid heraus.
Magnolia traute ihren Augen nicht. Wie ein Wasserfall floss der eisblaue Stoff durch Su-Lis Hände. Das schulterfreie Kleid war schmal geschnitten und über und über mit Eiskristallen bedeckt. Es sah aus, als seien Hunderte von Schneeflocken einfach an ihm hängen geblieben.
»Es ist wunderschön«, staunte Magnolia. »Du wirst wunderschön darin aussehen, Su-Li.«
Su-Li lächelte. »Ich habe ungefähr hundert solcher Kleider. Alle in ähnlicher Farbe und mit dem gleichen Motiv. Meine Großmutter sucht sie für mich aus. Sie hält viel von Tradition und Yuki-Onnas sind nun einmal Schneehexen.«
»Du willst es also wirklich nicht zum Ball tragen?«
Su-Li schüttelte den Kopf. »Ich würde viel lieber ein einziges Mal eine Kirschblütenprinzessin sein. Also, wenn du mit dem Tausch einverstanden bist, würde ich mich sehr freuen.«
Jetzt lachte auch Magnolia. »Und ob ich einverstanden bin. Ich probiere es gleich an.«
Schnell zog sie das Kürbiskleid aus und schlüpfte in Su-Lis Kleid. Es fühlte sich kühl und glatt an auf ihrer Haut und passte wie angegossen. Magnolia trat vor den großen Spiegel. Das kühle Blau des Kleides ließ ihre Haare und Augen strahlen. Und der lange, fließende Stoff betonte anmutig ihre schlanke Figur. Magnolia hatte sich noch nie so hübsch gefühlt.
»Es gehört auch noch diese Halskette dazu«, sagte Su-Li und legte ihr den Schmuck aus funkelnden Eiskristallen um den Hals.
»Wow, du siehst umwerfend aus, Cinderella«, rief Jörna. »Und wenn das Leander nicht auffällt, muss er wirklich blind sein.«
Runa und Linette waren dagegen mit anderen Dingen beschäftigt. Es war der Brief, der ihnen Sorgen machte.
In der Nacht des Blutmonds am dreizehnten Pier! Seid ihr erst da, ist er schon hier. Kommt nicht zu früh, auch nicht zu spät. Ihr müsst noch da sein, bevor er geht! So hatte es darin gestanden. Und das war den beiden Hexen entschieden zu ungenau.
»Alles zu seiner Zeit«, fand Linette. Und jetzt war gewiss nicht die Zeit für lustiges Rätselraten. Ihre Aufgabe, den Beryll an sich zu bringen und außer Landes zu schaffen, war schon haarig genug. Da brauchte es nicht noch schwammige Orts- und Zeitangaben in Form eines Reimes.
Die Hexen waren deshalb froh, als Jeppe ihnen eine Botschaft schickte und sie nach draußen vor die Dornenhecke bestellte, weil er wichtige Neuigkeiten für sie hatte.
Da standen sie also und schritten ungeduldig vor der Hecke auf und ab. Dass dieser Kobold aber auch niemals pünktlich sein konnte! Sie wollten gerade wieder ins Schloss zurückkehren, als es hinter ihnen plötzlich zischte.
»Psst! Hier!« Tatsächlich, versteckt zwischen den Rosenranken schaute Jeppes blaue Kappe hervor.
»Was machst du in der Hecke?«, wunderte sich Runa.
»Schaut nicht in meine Richtung«, flüsterte der Kobold. »Tut einfach so, als würdet ihr miteinander sprechen. Ich beobachte euch schon eine ganze Weile!«
»Wie reizend. Du sitzt hoffentlich bequem, während wir uns hier die Beine in den Bauch stehen«, schimpfte Linette.
»Wisst ihr, dass das Tor durch diese Hecke beobachtet wird?«
»Von den Gorgonen?«, fragte Linette.
Jeppe nickte. »Sie versuchen euch zu beschatten. Das Dümmste, was ihr also tun könnt, ist, aus dem Tor herauszuspazieren, auf eure Besen zu steigen und zum verabredeten Treffpunkt zu fliegen. Binnen weniger Minuten wissen die Gorgonen von eurem Ausflug und heften sich an eure Fersen.«
»Wir haben ohnehin noch ein paar Fragen zu dem mysteriösen Brief, den die Klabauter uns geschickt haben«, sagte Linette.
»Nicht hier«, flüsterte Jeppe. »Oswald wird sich mit euch treffen und alles erklären. Soviel ich weiß, ist schon allerhand schiefgegangen.«
Das hatte Linette befürchtet.
»Tut einfach so, als hättet ihr lange genug gewartet, und geht dann wieder in den Schlosspark zurück. Gleich neben der Sonnenuhr steht ein Pavillon. Die erste Bank darin verdeckt den Eingang zu einem Schmugglertunnel. Er führt euch unbemerkt aus dem Schloss zu einer Höhle am Meer. Oswald wird euch dort erwarten.« Es raschelte erneut in der Hecke und Jeppe war verschwunden.
Die beiden Hexen fluchten zum Schein einmal laut und kräftig darüber, dass sie versetzt worden waren, und kehrten in den Schlosspark zurück.
»Unsere Tarnung ist also aufgeflogen«, resümierte Runa. »Allmählich wird mir diese Sache zu heiß. Wir sollten
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