Magnolia Steel – Hexennebel
Liebe.«
Jörna stieß Magnolia auffordernd in die Rippen. Die räusperte sich und fragte: »Könnten Sie vielleicht …? Ich meine, weil ich hier arbeite. Wäre es vielleicht möglich, dass meine Freundin oder ich … einen Rabatt bekommen?« Es war Magnolia furchtbar peinlich, danach zu fragen. Meister Schnuck schien die Frage jedoch nicht ungewöhnlich zu finden und willigte sofort ein. »Ich gebe euch fünfzig Prozent Rabatt, einverstanden?«, fragte er.
Jörna stieß Magnolia entzückt an. Das war mehr, als sie sich erhofft hatten.
»Und was ist mit dir?« Erstaunt sah Meister Schnuck Magnolia an. »Hast du kein Parfüm gefunden, das dir gefällt?«
»Doch, schon, aber im Moment sieht es finanziell nicht gerade rosig aus.«
Ihr Chef runzelte die Stirn. »Mach dir wegen der Bezahlung keine Sorgen, die kann warten. Also?«
Magnolia war völlig überrumpelt. Damit hatte sie nicht gerechnet. »Oh, danke«, stammelte sie. »Sehr großzügig.«
Meister Schnuck winkte ab. »Welcher Duft soll es denn sein?«
»›Hagussa‹. Das Parfüm, das Sie mir neulich gezeigt haben«, antwortete Magnolia wie aus der Pistole geschossen.
»›Hagussa‹? Eine gute Wahl!« Meister Schnuck ging nach hinten, um das Parfüm zu holen.
»Heißt das Parfüm wirklich Hexe?«, wunderte sich Jörna.
»Ja, ein komischer Zufall, oder?«, erwiderte Magnolia.
Und dann war Meister Schnuck auch schon wieder zurück. Bevor er die Fläschchen für die beiden Freundinnen einpackte, roch er noch einmal probehalber daran, so, wie er es immer tat. Lächelnd reichte er Jörna ihr Tütchen. Dann war Magnolia an der Reihe. Meister Schnuck schnüffelte … und stutzte. Er schnüffelte noch einmal.
»Was ist denn das?«, rief er verärgert, und dann passierte etwas Seltsames. Die Mädchen sahen ihn erschrocken an. In schneller Folge spiegelte sein Gesicht die gesamte Palette menschlicher Gefühle wider. Wut, Verzweiflung, Freude, Trauer, Hass und Triumph. Auf solche Zuckungen waren sie nicht gefasst. Es schien, als hätte er die Kontrolle über seinen Körper verloren. Schließlich gab sich Meister Schnuck eine scheppernde Ohrfeige, und der Spuk war vorbei. Er murmelte etwas von einem Tick und sah die Mädchen lauernd an.
»Tut mir leid. Ich kann dir diesen Duft unmöglich mitgeben«, sagte er dann zu Magnolia, als wäre nichts passiert. »Er ist umgeschlagen!«
Verlegen sah Magnolia ihn an. »Aber …« Sie war noch immer bestürzt.
»Nein, nein, glaub mir. Er riecht moderig. Und du willst den jungen Mann doch sicher nicht vertreiben?« Jetzt war Professor Schnuck wieder ganz der Alte. »Ich werde das Parfüm neu ansetzen«, erklärte er. »Es wird seine Zeit dauern. Aber ich verspreche dir, dass du von ihm überrascht sein wirst.«
Noch immer verdutzt verließen die Mädchen das Geschäft.
»Was war das denn?«, fragte Jörna, sobald sie außer Hörweite waren. »Hat er diesen Gesichtszirkus öfters?«
Magnolia schüttelte den Kopf. »So habe ich ihn zum ersten Mal erlebt. Es sah fast so aus, als wäre er nicht allein in seinem Körper.«
»Ein Fall von Schizophrenie?«, schlug Jörna vor. »Wie gruselig. Ich möchte ihn jedenfalls nicht wütend erleben, wenn ihn ein verdorbenes Parfüm schon dermaßen aus der Ruhe bringt.«
Die Rathausuhr schlug sechsmal und die Geschäfte rund um den Marktplatz holten bereits ihre Auslagen herein. Die Mädchen kauften sich auf den Schreck noch schnell ein Eis und machten sich damit auf den Heimweg.
»Baldur wartet im Wald auf mich«, sagte Jörna. »Hast du nicht Lust, mich da vorbeizufahren?«
Magnolia zwinkerte ihr lachend zu. »Und wie! Das ist ja genau meine Richtung.« Sie hob das Rad aus dem Ständer. »Na los, worauf wartest du? Steig auf, ich bringe dich hin!«
Das ließ sich Jörna nicht zweimal sagen. Schnell sprang sie auf den Gepäckträger, und schon waren die Mädchen unterwegs. Im Frühling war der Wald besonders schön. Am Ufer des Wildbachs wuchsen blaue Leberblümchen, der Wurmfarn rollte seine hellgrünen Blätter aus und überall in den Bäumen waren Vogelstimmen zu hören. Das Fahren auf dem weichen Boden war allerdings ziemlich anstrengend, besonders, wenn jemand hinten auf dem Gepäckträger saß.
Auf einmal sprang Jörna vom Rad, und Magnolia geriet gefährlich ins Schlingern. »Warte! Hier muss es irgendwo sein«, rief sie und sah sich suchend um. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Baldur hier zurückgelassen habe!« Probehalber pfiff sie auf den Fingern
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