Magnolia Steel – Hexennebel
Schnuck. »Ich habe geglaubt, du würdest dich für den Goldtopas von Allerleirauh entscheiden.« Und er erzählte ihr ausführlich, was er über die Mädchen hinter den Sagengestalten wusste.
Magnolia war beeindruckt. Meister Schnuck hatte ein so umfassendes Wissen, was Mythologie und magische Künste betraf, dass sie sich unwillkürlich fragte, ob Tante Linette da mithalten konnte. Und die war schließlich eine Hexe.
Zu Hause erzählte sie ihrer Tante von den Märchenringen, die Professor Schnuck dem Händler abgeluchst hatte. Doch zu ihrem Erstaunen hatte Linette dafür keine Bewunderung übrig. »Er ist ein Schatzräuber«, brummte sie und ließ aus einem kleinen Taschenspringbrunnen Wasser auf die Primel spritzen, die auf ihrem Fensterbrett stand. »Menschen wie er rauben der Welt ihre Magie.«
»Dann haben diese Ringe also wirklich Schneewittchen und den anderen gehört?«
»Das ist zu befürchten.«
»Er sagt, er wäre ein Sammler. Ohne ihn würden die Schätze dieser Welt in Vergessenheit geraten.«
»Pah!«, schnaubte Tante Linette. »Was hat die Welt davon, wenn Meister Schnuck vier Märchenringe besitzt?«
»Vielleicht schenkt er sie einem Museum oder stellt sie in seinem Laden aus«, beharrte Magnolia, die sich ihren Chef nicht einfach schlechtreden lassen wollte.
»Das tut er ganz sicher nicht! Denn dann hätte er sie der Gebrüder-Grimm-Stiftung überlassen, für die sie bestimmt waren.«
Nachdenklich runzelte Magnolia die Stirn. War Meister Schnuck tatsächlich ein sammelwütiger Schatzräuber?
»Jörna hat übrigens angerufen. Sie bat mich, dir auszurichten, dass es Neuigkeiten gibt. Und dass du sie so schnell wie möglich zurückrufen sollst.«
Linette hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als Magnolia schon auf dem Weg in ihren Turm war. Eine Sekunde später saß sie vor ihrer Kristallkugel und wartete ungeduldig darauf, dass sich der pinkfarbene Rauch verflüchtigte und Jörnas Gesicht Platz machte. Der Rauch verzog sich, doch zeigte sich nicht Jörnas sommersprossiges rundes Gesicht, sondern irgendetwas, das entfernt an eine Quarkspeise erinnerte.
Magnolia bekam große Augen. »Bist du das?«, fragte sie vorsichtshalber.
In der Quarkspeise öffnete sich ein Auge. »Bin ich«, nuschelte es. »Ist grade schlecht …«
»Was soll das?«
»Ich versorge meine Haut mit Mineralien und Feuchtigkeit«, erklärte Jörna.
»Ist das eine Quarkmaske?«
»Quark und Honig«, bestätigte Jörna.
»Tante Linette sagte, du hättest angerufen, weil es Neuigkeiten gibt?«
Jörna nickte mit geschlossenen Augen. »In drei Tagen sind sie da.«
Magnolia brauchte nicht weiter nachzufragen. Ihr wurde schwindelig. So lange hatte sie sich auf Leander gefreut, und jetzt rutschte ihr das Herz in die Hose. Sie war sich plötzlich nicht einmal mehr sicher, ob sie ihn überhaupt wiedersehen wollte. Im Sommercamp in Amerika … das war eine ganz andere Geschichte. Aber hier in Rauschwald? Die Schule, ihr neuer Job … Leanders Rückkehr brachte alles durcheinander.
Die Augen im Quark öffneten sich. »Ist alles in Ordnung? Warum sagst du nichts?«
Magnolia räusperte sich. »Wow, in drei Tagen? Das ist ja schon ziemlich bald.«
»Drei Tage«, bestätigte Jörna.
Plötzlich musste Magnolia grinsen. »Ich nehme an, Elon ist auch dabei?«
»Sicher, sonst hätte ich wohl keinen Quark im Gesicht. Hast du Lust, morgen shoppen zu gehen?«
»In Rauschwald?«, fragte Magnolia zweifelnd.
»Ich brauche nur eine neue Jeans.«
»Okay, ich komme mit. Du kannst mich von der Schule abholen.«
»Super, dann sehen wir uns morgen.«
Rosa Nebel füllte die Kugel und ließ Magnolia mit gemischten Gefühlen zurück. Nachdenklich trat sie ans Fenster. Das Trollhotel war glücklicherweise weg. Tante Linette konnte sehr überzeugend sein, denn anscheinend hatten sich die Trolle ohne den üblichen Ärger getrollt.
Vor den Wohnwagen der drei Spinnerinnen standen noch immer magische Wesen an, um ihren Flachs zu Gold spinnen zu lassen. Aber die Schlange war deutlich kürzer geworden, und es war absehbar, dass die drei Rauschwald bald verlassen würden. Ihnen zu Ehren sollte in der Walpurgisnacht ein großes Fest stattfinden. Und man hatte Tante Linette mit der Planung beauftragt.
Magnolia warf sich aufs Bett und griff nach Schmatz, ihrer riesigen Plüschkröte aus Kindertagen. Sie hatte Leander seit mehr als einem halben Jahr nicht mehr gesehen und beinah genauso lange nichts mehr von ihm gehört. Es gab also
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