Magnolia Steel – Hexennebel
über ihren Sturz. In Magnolia regte sich Widerstand. Sie fühlte inzwischen deutlich, dass sie seine Gesellschaft verabscheute.
»Keine Zeit!«, wollte sie sagen. Heraus kam: »Sicher, gerne!« Die ausgesprochenen Worte hallten in ihrem Kopf. Gerne??? Was zum Teufel redete sie da, war sie irre?
Sie fühlte ihren Herzschlag bis zum Hals. Nicht nur, dass sie diese Worte ausgesprochen hatte. Nein, sie hob auch schon brav ihr Rad auf und steuerte auf das Geschäft zu. Wortlos, als hätte Meister Schnuck nichts anderes von ihr erwartet, ging er zurück in den Laden, und Magnolia folgte ihm.
Wegen Inventur geschlossen stand auf einem Schild, das gut sichtbar in der Ladentür hing.
Magnolia wollte nur noch weg, und zwar sofort! Aber ihre Beine gehorchten ihr nicht. Wie ein Schaf auf dem Weg zur Schlachtbank setzte sie einen Fuß vor den anderen.
»Dein Sträuben wird dir nichts nützen!« Plötzlich war Meister Schnucks Stimme tief in ihrem Gehirn. Wie kam sie da rein?
Magnolias Gedanken schossen wie Kugelblitze durch ihren Kopf. »Blockieren, blockieren!«, schrie es in ihr. Doch sie konnte sich nicht konzentrieren.
Meister Schnuck war bereits die Kellertreppe hinabgestiegen, und Magnolia trabte noch immer willenlos hinter ihm her.
Aus dem Labor kamen Stimmen. Magnolia wollte gar nicht wissen,zu wem sie gehörten. Dann stand sie in der Tür und prallte entsetzt zurück. Rauchschwaden zogen durch den finsteren Raum und erfüllten ihn mit einem beißenden Geruch. Mit einem Blick erfasste Magnolia das Geschehen. Meister Schnuck saß am Tisch, so als hätte er die ganze Zeit dort gesessen, und beendete seelenruhig seine Mahlzeit. Er tunkte schimmelgrünes Brot in eine graue Sauce auf seinem Teller und verschlang es schmatzend. Milauro stand ihm gegenüber. Er trug eine tote Ziege über seinen Schultern und grinste Magnolia kaltblütig an. Entsetzt huschte ihr Blick von einem zum anderen und blieb am Professor hängen. Sein Gesicht hatte die rundliche Form verloren, es war jetzt wächsern und spitz.
Magnolia stieß einen würgenden Laut aus. Sie hatte das schlimmste Déjà-vu ihres Lebens. Genauso hatte Graf Raptus dagesessen, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Zu allem Überfluss klingelten leise ein paar Glöckchen, und ein Gnom trat aus einer dunklen Nische ins funzelige Licht.
Jetzt war ihr alles klar. Magnolia wurde schwarz vor Augen. Es fühlte sich an, als würde sie jeden Moment das Bewusstsein verlieren.
»Einen Stuhl, Goldemar!«, verlangte Meister Schnuck, oder war es bereits Graf Raptus, der da sprach? Sogar die Stimme glich nicht mehr der von Meister Schnuck. Sie war hell und weich wie ein Schmerz, den man nicht greifen kann. Gerade rechtzeitig schob der Gnom Magnolia einen Stuhl hin, dann gaben ihre Beine auch schon nach.
»Du kannst gehen, Milauro«, sagte der Meister und wischte mit dem letzten Stück Brot den Teller sauber. Milauro zog seinen Hut ins Gesicht und verließ wortlos den Raum.
»Atme!«, befahl Magnolia sich. »Atme!« Dann öffnete sie die Augen und presste die Hand an ihre Schläfe.
Langsam drehte sich Meister Schnuck zu ihr um und musterte sie aus seelenlosen Augen.
»Kopfschmerzen?«, fragte er dann.
Magnolia antwortete nicht. »Nimm etwas von deinem Parfüm, dann wird es erträglicher.« Meister Schnuck lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Magnolia biss sich auf die Lippen, bewegte sich aber nicht.
»Ich sagte, nimm noch etwas von dem Parfüm!« Das war ein Befehl, und ob Magnolia wollte oder nicht, sie musste gehorchen. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf, während ihre Hände gleichzeitig nach dem Fläschchen in ihrer Tasche suchten. Es war ein Zwang, dem sie nichts entgegenzusetzen hatte. Sie träufelte einige Tropfen auf ihr Handgelenk, und der Schmerz war augenblicklich verflogen.
»Es ist das Parfüm, oder?«
Meister Schnuck starrte sie einen Moment lang schweigend an. »Es ist auch das Parfüm«, bestätigte er dann.
»Es hat die Kopfschmerzen doch ausgelöst. Weshalb hören sie jetzt auf?«
»Es dauert immer ein bisschen, bis sich ein Körper daran gewöhnt hat.«
»Gewöhnt? An was?« Magnolia kannte die Antwort.
»An das Gift.«
»Was wollen Sie von mir?« Ihre Stimme klang hilflos und heiser.
Meister Schnuck, oder besser, DAS , was in ihm steckte, verzog das Gesicht zu einem höhnischen Lächeln, dann wurde seine Stimme laut. »Zuallererst will ich meinen Körper zurück. Diese fette Larve, in der ich stecke, ist meiner Person absolut
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