Magnolia Steel – Hexennebel
Leander war glücklicherweise noch nichts zu sehen. Vielleicht war ihm ja etwas dazwischengekommen? Ein Funke Hoffnung keimte in Magnolia auf. Doch da traf sie auch schon etwas am Kopf, und ein vertrockneter Tannenzapfen rollte ihr vor die Füße. Erschrocken blickte Magnolia in den Baum. Hoch oben und gut versteckt zwischen dunkelgrünen Zweigen saß Leander und sah sie aus lachenden Augen an. Magnolia fühlte sich furchtbar. Sie hatte dem Zauber von Graf Raptus nicht das Geringste entgegenzusetzen.
»Hey!«, rief Leander vergnügt. Er ließ sich vom Baum auf den Boden fallen und landete direkt vor ihren Füßen.
»Bitte nicht!«, flehte Magnolia innerlich und überlegte fieberhaft, wie sie Leander doch noch warnen könnte. Abwehrend hob sie die Hände und starrte ihm in die Augen. Irgendetwas musste er doch bemerken! Schließlich las er ja sonst auch andauernd ihre Gedanken.
Doch Leander merkte nichts. »Buhuhuhu!«, sagte er lachend und hob ebenfalls die Hände, als sei Magnolia ein Geist. »Was ist los? Weshalb starrst du mich so an? Übst du den Bansheeblick?«
Magnolia versuchte, sich zu konzentrieren. »Hau ab!«, presste sie zwischen den Zähnen hervor.
Verdutzt sah Leander sie an. »Was?«
Magnolia holte tief Luft. Es war so ungeheuer anstrengend. »Hau … bitte nicht gleich wieder ab!«, war der Satz, der ihr locker über die Lippen kam.
»Keine Sorge. Ich habe nicht eine Stunde lang in diesem Baum gehockt und nach deinem Besen Ausschau gehalten, um gleich wieder zu verschwinden.« Leander legte den Arm um sie und gab ihr zur Begrüßung einen Kuss. Magnolias Gedanken rasten. Irgendetwas musste sie doch tun können. Wo blieben die Ideen, wenn man sie brauchte?
Leander ahnte nichts von ihrer Qual. Er packte sie übermütig um die Taille und wirbelte sie herum. Dann schnüffelte er.
»Was ist?«, fragte Magnolia.
»Nichts. Aber irgendwas riecht hier seltsam.«
Sofort befreite sie sich aus seinen Armen. »Das könnte mein Parfüm sein«, sagte sie heiser.
»Ach so … ja.« Leander war sichtlich verlegen. »Vielleicht muss man sich erst ein bisschen daran gewöhnen.«
»Ich mag es auch nicht mehr riechen!«, erklärte Magnolia aus vollem Herzen. »Ich hasse es! – Wollen wir ein Stück gehen?« Ihre Zunge fühlte sich an wie ein moosbewachsenes Stück Holz. Sie führte ihn direkt auf die Lichtung, auf der der Dolmen stand. Leander schöpfte keinen Verdacht. Munter erzählte er von den Rotmützen und den Tricks, die sie draufhatten, um das Turnier zu gewinnen. Er fragte, ob sie Jörna in Wurmstadt getroffen hatte und redete ununterbrochen weiter.
Magnolia antwortete nicht. Verzweifelt suchte sie nach einer Möglichkeit, ihn zu schützen. Fehlanzeige. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte.
Instinktiv hielt sie Abstand zu Leander, denn schließlich sollte sie ihm gleich den verhängnisvollen Stoß geben. Magnolia registrierte jede Kleinigkeit in ihrer Umgebung. Den Eingang zum Dolmen, in dem sich Goldemar versteckt hielt. Die Findlinge, die wie Legosteine überall auf der Wiese herumlagen.
»Also, irgendwas stimmt doch nicht mit dir!«, wunderte sich Leander gerade. Da fühlte Magnolia auch schon den übermächtigen Impuls, ihn zu stoßen. Sie hob die Arme, doch anstatt sich auf ihn zu stürzen, warf sie sich zur Seite und fiel flach auf den Bauch. »Lauf!«, schrie sie im Fallen und wusste nicht, was schlimmer war. Leanders Blick, als er die Gefahr bemerkte, oder der Schritt rückwärts, den er machte, um ihr auszuweichen. Es geschah wie geplant. Er stolperte über einen der herumliegenden Steine und landete unsanft auf dem Rücken.
Sofort war Goldemar da. Wie eine Spinne in ihrem Versteck hatte er auf diesen Moment gewartet. Er pirschte sich heran und warf ein Netz über den Elfen, der sich darin hoffnungslos verhedderte. Man sah es Goldemar nicht an, aber der Gnom war stark wie ein Bär. Als hätte Leander keinerlei Gewicht, zog er ihn samt Netz mit sich fort, in die finsteren Tiefen des alten Grabes.
Magnolia wollte zu ihm laufen. Ihn befreien. Sagen, dass es ihr leidtat. Aber sie konnte nicht einmal vom Boden aufstehen. Verzweifelt krallten sich ihre Finger ins Gras, und sie fing hemmungslos an zu weinen. Mit aller Macht kehrten die Kopfschmerzen zurück. Langsam, als wäre sie mindestens achthundert Jahre alt, stand Magnolia schließlich auf. Mit zittriger Stimme rief sie ihren Besen und stieg auf. »Regenfass«, murmelte sie kaum hörbar. Und Huckebein brachte sie sicher
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