Magnolia Steel – Hexennebel
Finsternis. Ist etwas mit Leander?«
Das war genug. Magnolia starrte sie an, und ihre Unterlippe bebte verdächtig. »Ich muss weg! Sag Frau Mümmel, mir ist schlecht oder etwas Ähnliches!«, rief sie und stürzte an Birte vorbei, die Treppen hinunter.
Sie würde Meister Schnuck zur Rede stellen. Sie wusste zwar nicht genau, wie sie das bewerkstelligen sollte, aber das war ihr herzlich egal. Sie wollte wissen, was er mit Leander gemacht hatte. Wie eine Furie stürmte sie über den Schulhof, hin zu seinem Laden und stieß wütend die Tür bis zum Anschlag auf. Der Schmerz traf sie wie eine Kanonenkugel. »Arrrgh!«, keuchte sie und ging in die Knie. Die Kundin, die Meister Schnuck gerade bediente, sah sich erschrocken nach ihr um.
»Magnolia!« Die Stimme des Grafen klang wie ein Samthandschuh und verursachte ihr eine Gänsehaut.
»Ist es wieder der Kopf?« Besorgt fasste er sie am Ellenbogen und geleitete sie zur Treppe, die zur Empore hinaufführte. »Setz dich einen Moment. Möchtest du einen Schluck Wasser?«
Magnolia presste die Hände auf ihre Schläfen, biss die Zähne zusammen und schüttelte vorsichtig den Kopf.
»Ich kann Hitzköpfe wie dich nicht ausstehen«, flüsterte Meister Schnuck ihr zu und Magnolia roch seinen stinkenden Atem. Laut sagte er: »Ruh dich etwas aus. Ich schaue gleich wieder nach dir.« Er ließ sie allein auf der Treppe sitzen und widmete sich wieder der Kundin im Laden.
Blind vor Schmerz tastete Magnolia nach ihrem Parfüm, doch noch bevor sie es greifen konnte, wurde die Ladentür erneut geöffnet, und ein Luftzug fuhr wie eine Windböe herein. Im nächsten Moment streifte etwas Magnolias Schulter und klatschte neben ihr auf den Boden. Ein Buch! Magnolia war wie elektrisiert. Es war einfach an ihr vorbeigesegelt und lag jetzt aufgeschlagen auf dem Boden. Einmal Zombie und zurück oder wie man dem Fluch der lebenden Toten entkommt.
Das konnte kein Zufall sein. Magnolia konnte ihr Glück kaum fassen. Sie beugte sich vor, um den alten, mit Schreibmaschine geschriebenen Text zu entziffern, und schluckte. Die darin geschilderten Symptome trafen haarklein auf sie zu. Und wenn sie den Text richtig verstand, war an ihrem Zustand einzig und allein das Brot der lebenden Toten schuld. Magnolia schüttelte sich. Hergestellt aus den Knollen des Affodills, war es bereits zu Homers Zeiten in der antiken Welt bekannt.
Magnolia sog die wenigen Zeilen, die dort vor ihr aufgeschlagen lagen, in sich auf, und ihr Herz fing wie wild an zu klopfen. Das konnte die Rettung, die Freiheit bedeuten. Wenn es stimmte, was in diesem Buch stand, benötigte man nicht mehr als drei Zutaten, um den verhängnisvollen Fluch zu brechen. Alraunen-Blut, einen Bezoar und ein paar Tropfen Wermut oder Martini, wie in dem Rezept erklärt wurde. Magnolia hörte das Blut in ihren Ohren rauschen, und obwohl sie großen Respekt vor Büchern hatte, riss sie die Seite mit einem Ruck heraus und versteckte sie gerade noch rechtzeitig im Bund ihrer Jeans.
Denn inzwischen hatte der letzte Kunde den Laden verlassen, und Meister Schnuck kam mit schnellen Schritten auf sie zu. Eilig beförderte sie das Buch mit einem Fußtritt unter das nächste Regal. Dann griff sie nach dem Parfüm und gab ein paar Tropfen auf ihren Arm. Noch konnte sie nicht darauf verzichten.
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Martini und Bezoar
Meister Schnuck lächelte. Es war ein teuflisches Lächeln, das seine Gesichtszüge komplett veränderte, und Magnolia fragte sich, wie lange der Graf sich noch hinter dieser Fassade verbergen konnte.
»Schön, dass du dich freiwillig hier blicken lässt«, sagte er. »Ich zähle heute Nachmittag auf dich.«
Magnolia biss die Zähne zusammen. »Was haben Sie mit Leander gemacht?«
Meister Schnuck sah sie spöttisch an. »Stimmt. Der Elfenbengel interessiert dich.«
Magnolia sah, wie er einen Moment nachdachte. »Komm!«, sagte er dann, als hätte er einen Entschluss gefasst. »Du hast ein Recht darauf, zu erfahren, wie es ihm geht. Schließlich bist du meine Assistentin!« Er gluckste über die Absurdität dieser Situation und stieg vor Magnolia die Kellertreppe hinab. Statt wie gewöhnlich geradeaus in sein Labor zu gehen, verschwand Meister Schnuck diesmal hinter dem dicken Vorhang, den Magnolia selbst schon einmal untersucht hatte. Als sie zögerte, streckte der Meister seinen Arm aus dem Vorhang heraus und winkte ihr, ihm zu folgen. Ohne eigenen Willen setzten sich Magnolias Beine in Bewegung. Sie hasste sich
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