Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
der Pfanne, der beim besten Willen nicht mehr in sie hineinpasste, gab sie Serpentina direkt auf den Fußboden.
»Und …? Hast du gut geschlafen?«
»Ja, prima«, antwortete Magnolia. »Ich habe nicht einmal geträumt.« Oder doch?
»Ihr habt mich gestern doch nicht auf den Arm genommen, die Zwerge und du?« Kaum hatte sie die Frage ausgesprochen, schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Wie bescheuert das klang. Wenn sie wahrhaftig glaubte, gestern Abend mit Zwergen geplaudert zu haben, warum sollte sie dann nicht auch eine Hexe sein.
»Du bist eine Hexe, so sicher, wie ich hier stehe und Hühneraugensalbe anrühre«, antwortete Tante Linette mit einem verschmitzten Augenzwinkern, das Magnolia leicht irritierte.
»Dann kann ich also auch zaubern?«, fragte sie.
Nachsichtig lächelte Linette ihre Nichte an. »Ich bin froh, dass du der Hexerei so aufgeschlossen gegenüberstehst. Leider gilt auch für Hexen das alte Sprichwort: Ohne Fleiß kein Preis. In deinem Fall ist damit das Studium der Magie gemeint.«
»Bedeutet das, ich muss in eine Hexenschule gehen?« Neue Hoffnung keimte in Magnolia auf. Das Ende der Sommerferien rückte beängstigend näher und tausendmal lieber als in Rauschwald würde sie auf eine Schule für Hexerei gehen.
Linette schenkte ihr ein verständnisvolles Grinsen.
»Dafür seid ihr zu wenig Schüler. Du wirst mit mir vorliebnehmen müssen. Vormittags besuchst du die Schule in Rauschwald und am Nachmittag hast du bei mir Privatunterricht in Sachen Hexerei. Meinst du, du kannst das schaffen?«
»Logisch«, antwortete Magnolia. »Wann fangen wir an?«
»Heute Nachmittag.«
»Okay.«
»Also um vier Uhr im roten Zimmer.«
Zwölftes Kapitel
Sehen lernen
Punkt vier Uhr stand Magnolia erwartungsvoll vor dem roten Zimmer.
»Warum kommst du nicht einfach herein?«, rief Tante Linette von drinnen. Ihre Stimme klang seltsam dumpf.
Magnolia trat ein. Die dunkelroten Samtvorhänge waren diesmal zurückgezogen und ließen freundliches Tageslicht ins Zimmer. Der Raum wirkte jetzt nicht mehr magisch und geheimnisvoll, sondern wie eine alte Bibliothek.
Tante Linettes Kopf steckte tief in einem Regal mit alten Folianten. Ächzend zog sie ein besonders dickes Exemplar heraus und warf es mit Schwung auf den Tisch. »Haaatschii«, nieste Linette und hinter Magnolia fiel die Tür ins Schloss. Ohne aufzusehen, pustete ihre Tante die dicke Staubschicht vom Buchdeckel und winkte sie ungeduldig heran.
Das kleine Hexeneinmaleins stand in schwarzen abgeblätterten Lettern auf dem grauen Umschlag, der schon reichlich zerfleddert aussah.
Weshalb in diesem Buch nur das kleine Hexeneinmaleins stecken sollte, konnte Magnolia sich beim besten Willen nicht vorstellen. Dieses Buch war groß wie eine Gehwegplatte und mindestens doppelt so dick.
»Ist wahrhaftig lange her, dass ich darin geschmökert habe«, murmelte Linette. »Hast Glück, dass es überhaupt noch existiert. Generationen unserer Familie haben darin ihre ersten Hexversuche unternommen. Ein Klassiker gewissermaßen«, gluckerte sie.
»Erste Hexversuche? Du meinst, in diesem dicken Wälzer steht nicht das komplette Hexenwissen und es gibt noch mehr davon?«
Linette schaute ihre Nichte an, wie eine Vogelmutter, die bemerkt, dass sie ein Kuckucksei ausgebrütet hat.
»Mein liebes Kind«, seufzte sie, so als hätte sie die Hoffnung auf einen Funken Verstand endgültig begraben.
»Natürlich steht im ›kleinen Hexeneinmaleins‹ nicht das komplette Hexenwissen. Die Papierreserven dieser Welt würden nicht ausreichen, um unser Jahrtausende altes Wissen darauf niederzuschreiben. Dieses Buch ist nur das erste einer Trilogie, die du nach und nach durcharbeiten wirst. Dem kleinen Hexeneinmaleins folgt logischerweise das große Hexeneinmaleins und daran schließt lückenlos das Buch ›Algebra für Hexenmeister‹ an. Wenn du diese drei Bücher durchgearbeitet hast, kannst du alles, was man von einer guten Hexe erwartet.«
»Aber es wird Jahre dauern, bis ich überhaupt mit dem ersten Buch fertig bin«, sagte Magnolia.
»Sieben«, antwortete Tante Linette.
»Sieben?«, fragte Magnolia.
»Wenn du einigermaßen intelligent bist, dauert es sieben Jahre, bevor du dein erstes Hexenexamen ablegen darfst.«
Magnolia schluckte: »Es gibt auch Prüfungen?«
Tante Linette nickte. »Natürlich, jedes Jahr legst du eine Zwischenprüfung vor der Hexenkammer ab, schließlich muss festgestellt werden, ob du würdig bist,
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