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Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel

Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel

Titel: Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Städing
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in gewohnt schroffer Weise beiseite. »Du kannst nicht sehen, du …«
    »Na, blind bin ich auch nicht gerade«, warf Magnolia vorlaut dazwischen.
    Tante Linette warf ihr einen funkelnden Blick zu. »Magnolia, eines vorweg«, sagte sie streng. »Ich bin deine Lehrmeisterin und dulde nicht, dass du mir ins Wort fällst, wann immer es dir quer durch den Sinn schießt. Du hebst die Hand, wenn du etwas sagen oder fragen möchtest. Darin unterscheidet sich dieser Unterricht von keinem anderen Unterricht der Welt. Hast du mich verstanden?«
    Schon gut, schon gut, dachte Magnolia und nickte kaum merklich mit dem Kopf.
    Tante Linette legte ihre Hand hinter das Ohr. »Ich habe nichts gehört, Magnolia. Meine Frage war: ›Hast du mich verstanden?‹ Also antworte bitte mit Ja oder Nein. Anderenfalls zwingst du mich, dich zu bestrafen und ich glaube nicht, dass es dir Spaß machen würde, einen Tag lang mit einem Schweinerüssel durch die Gegend zu laufen. Also!«
    So unwohl hatte Magnolia sich schon lange nicht mehr in ihrer Haut gefühlt. Was waren denn das für unfreundliche Töne? Das Amulett auf ihrem Bauch erwärmte sich deutlich. Gefahr in Verzug.
    Also beeilte sie sich lieber mit einer Antwort.
    »Ja«, sagte sie, »ähm, nein … ich meine doch.«
    Tante Linette zog drohend die Augenbrauen zusammen und machte nicht gerade den Eindruck unendlicher Nächstenliebe und Geduld.
    »Ja, ich habe klar verstanden, und nein, es würde mir nicht gefallen, mit einem Schweinerüssel durch die Gegend zu laufen.« Magnolia schaute ihrer Tante fest in die Augen.
    »Gut.« Linette räusperte sich. »Dann lass mich nun ohne Unterbrechung fortfahren. Du bist nicht sehend, du kannst bestenfalls gucken. Damit stehst du auf derselben Stufe wie all jene grobstofflichen Menschen, die sich die Natur mit brutaler Gewalt Untertan machen und nicht ahnen, was sie damit anrichten. All die feinstofflichen Schwingungen um sich herum nehmen diese Menschen überhaupt nicht wahr. Dir aber wurde eine Gabe in die Wiege gelegt, für die du sehr dankbar sein kannst. Du brauchst nur in die Stille zu lauschen und dir wird sich eine Welt erschließen, wie sie fantastischer und schöner nicht sein kann. Ich schlage deshalb vor, wir beginnen umgehend mit deinem Training, und zwar nicht hier, in dieser muffigen Bude, sondern direkt an Ort und Stelle.«
    Bei diesen Worten erhob sie sich und winkte Magnolia ihr zu folgen.
    Sie führte sie auf die Terrasse, direkt zu dem alten Holunderbeerstrauch. Linette verneigte sich vor dem Strauch und wechselte mit ihm ein paar leise Worte. Dann wandte sie sich an Magnolia. »Sei jetzt ganz still und schaue dir diesen Holunder genau an. Seine zart gefiederten grünen Blätter, die lackschwarzen Beeren, die korkige Rinde. Und, hörst du den Wind in seinen Zweigen flüstern?«
    Magnolia trat dicht an den Holunder heran. Sie schaute und lauschte und atmete seinen kühlen, würzigen Duft. Ein wunderbares Gefühl der Ruhe überkam sie. Das leise Rascheln der Blätter wurde zu einem Flüstern, wenn ein Windhauch hineinfuhr, und esdauerte einen Moment, ehe Magnolia begriff, dass zu ihr gesprochen wurde.
    Es war eine ruhige, wohlklingende Stimme, die sagte: »Schon bei unser ersten Begegnung wusste ich, dass du die Begabung hast.«
    Magnolias Augen huschten suchend über die Zweige. »Weiter oben«, sagte die Stimme, »ich sitze direkt in der Krone.«
    Magnolias Augen huschten weiter suchend durch das Geäst und plötzlich blieb ihr Blick an etwas hängen, das durchaus ein Gesicht sein konnte. Oder war es nur das Spiel von Licht und Schatten im Grün der Zweige?
    »Nein, du hast recht, du siehst mir direkt in die Augen«, sagte die ruhige Stimme.
    Und tatsächlich, was Magnolia zuerst für ein paar Holunderbeeren gehalten hatte, entpuppte sich als das blanke Augenpaar eines putzigen, kleinen Wesens. Es hatte ein schmales menschliches Gesicht und den Körper eines Eichhörnchens. Groteskerweise trug es ein weißes Rüschenkleid und einen Kompotthut, aus dessen Seiten links und rechts puschelige Ohren herausguckten.
    Mit offenem Mund starrte Magnolia das Wesen an. Ihr Gehirn schien still zu stehen und lieferte einfach keine brauchbaren Informationen.
    »Bist du, ähm, sind Sie die ehrenwerte Frau Hulda?«, fragte sie schließlich. Denn mal ehrlich, einen mächtigen Baumgeist hatte sie sich ein wenig eindrucksvoller vorgestellt. Und dieses Eichhörnchen mit seinen langen, gelben Nagezähnen wirkte nicht mächtig, sondern einfach

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