Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel

freihängende Brücke, in der zu allem Überfluss jedes zweite Brett fehlte, spannte sich über einen tiefen Felsspalt.
    »Also da … also da … ich … also da gehe ich auf keinen Fall rüber.« Magnolia rang nach Atem.
    »Du musst, meine Liebe, einen anderen Weg gibt es nicht.« Und mit einem Satz stand Tante Linette auf dem ersten Brett. Die Brücke geriet in Schwingung.
    Wie sie schließlich über dieses furchtbare Ding gekommen war, konnte Magnolia im Nachhinein nicht mehr sagen, aber jeden, der ihr prophezeit hätte, sie würde später nur noch müde über die gute alte Brücke lächeln, hätte sie augenblicklich für verrückt erklärt.
    Auf der gegenüberliegenden Seite kamen sie an den Rand einer ebenfalls hölzernen Rutsche, deren oberes Ende sich in der Dunkelheit verlor.
    »Und wie kommen wir da hoch?«, fragte Magnolia misstrauisch. Im Geiste sah sie ihre Tante bereits mit Saugnäpfen an den Fingern die spiegelblanke Rutschbahn erklimmen, während sie selber mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.
    »Nun, es ist sehr komfortabel«, erklärte Tante Linette. »Du setzt dich einfach darauf und klopfst dreimal gegen deinen Kopf. Das ist alles.«
    »Gegen meinen Kopf?«
    Tante Linette nickte. Also setzte sich Magnolia auf die Rutsche und klopfte dreimal gegen ihren Kopf.
    Augenblicklich ging es los und komfortabel war nicht das Wort, das Magnolia dafür gewählt hätte.
    Es war, als würde sich ein enger Gurt um ihre Mitte schlingen. Die Luft wurde aus ihren Lungen gepresst und sie wurde nach oben gerissen. Ein kurzes Keuchen war alles, was sie herausbrachte, dannwar sie am Ziel. Es war dunkel und roch nach Holz. Forschend tasteten ihre Finger über die Wände, sie waren rau und ganz nah. Vielleicht steckte sie in einem Fass?
    Ein Brausen kündigte Tante Linettes Ankunft an. Mit flackernder Laterne sauste sie herauf.
    »Warum stehst du hier noch herum, Magnolia? Öffne einfach die Tür und mach Platz, dann brauchen wir uns nicht wie eingelegte Rollmöpse zu drängen.«
    Hier gibt es ja wohl nur einen Rollmops, dachte Magnolia mürrisch und hoffte zugleich, dass dieser Gedanke unentdeckt blieb.
    Linette öffnete die Tür und das helle Licht der tief stehenden Abendsonne fiel Magnolia ins Gesicht. Das vermeintliche Fass entpuppte sich als der Stamm einer prächtigen Rotbuche, die am Rande eines friedlichen kleinen Dorfes stand.
    Weiße strohgedeckte Häuser waren wie aus einem Würfelbecher gepurzelt auf einer grünen Wiese verteilt. Dahinter erhoben sich bewaldete Hügel, über denen schon der blaue Abenddunst lag.
    Eine schnatternde Gänseschar wurde von einem Zwergenjungen nach Hause getrieben. Als er Linette und Magnolia bemerkte, zog er höflich seine blaue Zipfelmütze und rief: »Guten Abend, Linette, hast du an die Hustenpastillen für meinen Hamster gedacht?«
    »Natürlich, Toddy, du kannst sie dir nachher bei Jacko abholen.«
    Eine Zwergenfrau, mit einem Korb frisch gewaschener Wäsche unter dem Arm, hob ebenfalls grüßend die Hand.
    »Guten Abend, Linette. Wie schön, dass du gerade heute ins Dorf kommst. Winifried hat eine Erkältung bekommen. Nichts Ernstes, aber er leidet entsetzlich, wie alle Männer. Bist du so gut und schaust nachher noch einmal vorbei?«
    »Du kannst dich darauf verlassen, Greta.«
    Jetzt erkannte Magnolia sie auch. Die Zwergenfrau war am Abend der Erklärungen dabei gewesen.
    Gemeinsam gingen sie durchs Dorf. Ping, ping, ping klang es aus einer Scheune, vor der ein stämmiges Pony angebunden war.
    »Die Schmiede«, erklärte Tante Linette.
    »Oh, ist das Pony süüüüüß«, quiekte Magnolia. »Wohnen in diesem Dorf nur Zwerge?«
    »Bis auf wenige Ausnahmen schon«, bestätigte Greta, »aber natürlich haben wir hier ein Gasthaus, in dem Reisende einkehren, die keine Zwerge sind. Es ist ein Segen, dass es ein wenig abseits des Dorfes liegt.«
    Wie aufs Stichwort brach eine Schar gedrungener ungepflegter Gestalten aus dem nahen Tannenwald. Dabei kamen sie Magnolia so nah, dass sie nicht umhinkam, ihren entsetzlichen Gestank zu bemerken.
    Wortlos schlurften sie vorbei und einer ließ anstelle eines Grußes sogar einen herzhaften Furz fahren.
    Angeekelt sah Magnolia ihre Tante an. »Waldtrolle«, sagte die. »Zum Glück sind sie auf der Durchreise.«
    Jackos Haus stand ein wenig abseits der anderen Häuser und besaß als einziges einen Gartenzaun. Er war hellblau angestrichen und passte so gar nicht in die Landschaft. Auf Linettes Klopfen wurde die Haustür