Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel

die Burg. Durch mein Aus-Nacht-mach-Tag-Fernrohr sah ich, wie dieser Teppich sich bewegte, er krümmte und streckte sich. Die Norgen hatten Mühe, ihn aufihren Schultern zu behalten. Schließlich schlug einer von ihnen mit seinem Schwertknauf darauf. Dann gab der Teppich endlich Ruhe und sie trugen ihn hinein.«
    »Willst du damit sagen, in diesem Teppich steckte ein Mensch?« Vor Aufregung wurde Linettes Stimme laut.
    »Psst!«, mahnte Jacko. »So habe ich es jedenfalls beobachtet.«
    »Aber dann … aber dann … dann sind wir in höchster Gefahr, Jacko«, stotterte Linette. »Verstehst du denn nicht, was das bedeutet? Er labt sich bereits an den ersten Menschen und erhält damit unweigerlich seine Jugend zurück. Es wiederholt sich. Erst holt er sich ein paar Menschen, dann kommen die magischen Geschöpfe an die Reihe. Wir müssen handeln, Jacko, und zwar sofort.«
    Linette war außer sich, ihre Gedanken rasten.
    Schweigend reichte Jacko ihr ein Glas Portwein.
    »Du hast recht, wir müssen handeln. Aber wir müssen klug handeln. Was Dorette damals getan hat, war zwar ungeheuer mutig, aber entschuldige meine Offenheit, es war nicht besonders klug.«
    »Nicht klug, nicht klug!! Natürlich dürfen wir nicht den Kopf verlieren, aber ich weigere mich, die Hände in den Schoß zu legen und wie ein Schaf auf mein Verderben zu warten. Wenn wir bloß wüssten, was im Schloss vor sich geht. Vielleicht könnte man einen Spion einschleusen.«
    »Einen Spion?!«, lachte Jacko auf. »Wie stellst du dir das vor? Glaubst du im Ernst, es würde auch nur einem von uns gelingen, unerkannt die Burg zu betreten? Dort wimmelt es nur so vor Schattenkriegern und Norgen und jeder Menge Spinnen und Mäusen.«
    »Ich hab‘s!«, Linette schnippte mit den Fingern. »Wozu bin ich eine Hexe?«
    Verwirrt sah Jacko sie an.
    »Na, wozu??«, bohrte Linette weiter.
    »Also, wenn du mich so direkt fragst …«, stammelte Jacko ratlos.
    »Ich kann mich verwandeln!«, rief Linette triumphierend. »Und was ist einfacher, als in Verwandlung die Festung zu stürmen!«
    »An welche Art Verwandlung hast du dabei denn gedacht?«
    »Ich könnte mich zum Beispiel in einen Offizier der Norgenarmee verwandeln und den Burschen bei dieser Gelegenheit gehörig Beine machen. Exerzieren bis zum Umfallen.« Linette gluckerte zufrieden.
    »Warum erst kleckern und nicht klotzen? Ich schlage vor, du verwandelst dich gleich in den Grafen persönlich.«
    Linette bemerkte den Spott in Jackos Stimme.
    »Du meinst, es wäre keine gute Idee?«
    »So ist es«, bestätigte Jacko, »oder glaubst du, der Graf ist so leicht zu täuschen? Sicher hat er seine Vorkehrungen getroffen, nicht umsonst ist er Großmeister der Schwarzen Magie. Auch in noch so guter Verkleidung wirst du die Burg nicht unbemerkt betreten. Unterschätze deine Feinde nicht, Linette!«
    »Ich sprach von Verwandlung, nicht von Verkleidung«, sagte Linette beleidigt und dann: »Was sagtest du vorhin, was es auf der Burg gibt?«
    »Norgen und Schattenkrieger«, murmelte Jacko.
    »Nein, nein, nein!«, rief Linette plötzlich lebhaft. »Du sagtest, auf der Burg gibt es nur Schattenkrieger und Norgen und jede Menge Spinnen und Mäuse! Wenn ich mich nun in eine Maus verwandle? In eine klitzekleine Maus. Ich könnte mich in jeder Mauerritze verstecken und niemand würde mich entdecken.«
    Jacko horchte auf.
    »Das größte Problem dürfte sein, in die Burg hineinzugelangen«, verfolgte Linette ihren Gedanken weiter. »Die Fenster und Tore sind sicher durch einen Zauber gesichert. Möglicherweise hat er sogar einen magischen Kreis um die Burg gezogen … Schalte ich ihn aus, schöpft er sofort Verdacht.«
    »Vielleicht gibt es einen anderen Weg in die Burg.«
    »Einen anderen Weg?« Interessiert schaute Linette Jacko an.
    Der stand inzwischen mitten im Raum und wippte aufgeregt auf den Zehenspitzen.
    »Wenn ich nur wüsste, ob ich mich recht erinnere«, brummte er. »Warte einen Moment, ich bin sofort wieder da.« Ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer.

Sechzehntes Kapitel
Der silberne Löwe

    Der Weg zum Gasthaus führte Magnolia und Una aus dem Dorf heraus, vorbei an einem lichten Tannenwäldchen, über eine winzig kleine Brücke aus Holz.
    Dann standen sie vor dem »Silbernen Löwen«, einem zweistöckigen grauen Kasten mit rotem Schindeldach. Selbstgefällig thronte er in der Landschaft und es schien ihn nicht zu stören, dass der Zahn der Zeit schon kräftig an seiner Fassade genagt hatte.
    Magnolia brannte