Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
geöffnet.
»Guten Abend, Paula, ist Jacko zu sprechen?«
»Guten Abend, Linette, und die Kleine hast du auch mitgebracht«, erwiderte Paula. Kleine war gut. Paula ging Magnolia bis knapp unter den Arm.
»Jacko sitzt schon den ganzen Nachmittag am Fenster seines Studierzimmers und beobachtet die Burg. Ich glaube, er ist sehr besorgt.«
Natürlich war Magnolia noch nie zuvor in einem Zwergenhaus gewesen. Umso überraschter stellte sie fest, wie normal hier alles aussah. Im Wesentlichen unterschied sich dieses Zwergenhaus nichtvon den anderen Häusern, die sie kannte. Es war nur ein wenig altmodischer.
Ein warmes Herdfeuer erhellte die Küche, die gleichzeitig als gute Stube diente, und genau wie in Tante Linettes Haus hingen hier und dort gebündelte Kräutersträuße von der niedrigen Zimmerdecke.
Paula führte sie durch einen kurzen Korridor zu Jackos Arbeitszimmer. »Besuch für dich, mein Bester«, rief sie und öffnete die Tür.
Jackos faltiges Gesicht leuchtete auf, als er ihnen mit ausgestreckten Armen entgegenkam.
»Seid mir herzlich willkommen. Ihr kommt gerade zur rechten Zeit. Ich habe ein paar sehr seltsame Beobachtungen gemacht.« Er drückte Linette in einen Sessel, der etwas größer war, als die übrigen.
Linette runzelte die Stirn. So aufgeregt hatte sie Jacko noch nie erlebt.
»Deine Nichte wird sich bei dem, was ich mit dir zu besprechen habe, schrecklich langweilen, fürchte ich.«
Er zwinkerte Linette auffällig zu und Magnolia hatte den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Sie war bei diesem Gespräch nicht erwünscht. Taktvoll sagte sie deshalb: »Ähm, ich sehe mir dann solange das Dorf an, oder?«
»Eine gute Idee, Täubchen.« Die Erleichterung war Tante Linette sofort anzumerken. »Vielleicht kann Una dir dabei Gesellschaft leisten.«
»Natürlich leistet Una dir Gesellschaft.« Paula, die vor der Tür gewartet hatte, zog Magnolia aus dem Zimmer. »Una ist unsere Tochter«, erklärte sie. »Sie nimmt gerade im Garten die Wäsche von der Leine und ist sicher froh über diese Unterbrechung.« Durch eine niedrige Hintertür traten sie ins Freie.
»Una!«, rief Paula. »Ich möchte dir Magnolia vorstellen. Sie istLinettes Großnichte. Sei so lieb und kümmere dich ein wenig um sie, solange Jacko und Linette miteinander reden.«
Una warf das letzte Wäschestück in einen Weidenkorb und kam freundlich lächelnd heran. Ihr Gesicht war von Sommersprossen übersät und ihre smaragdgrünen Augen blitzten Magnolia vergnügt an.
»Haben sie dich vor die Tür gesetzt?«, fragte sie lachend.
»So ungefähr«, antwortete Magnolia.
»Mach dir nichts daraus. Ich zeige dir das Dorf, wenn du Lust hast. Allerdings muss ich dich warnen, viel zu sehen gibt es bei uns nicht. Jemand, der aus einer Großstadt kommt wie du, wird darüber sicher die Nase rümpfen.«
»Bestimmt nicht, ich war noch nie in einem Zwergendorf und finde es total interessant«, versicherte Magnolia.
»Ist der Weg durch den unterirdischen Gang eigentlich die einzige Möglichkeit ins Dorf zu gelangen?«, wollte Magnolia wissen, während sie die Dorfstraße entlangschlenderten.
»Nein. Es gibt insgesamt neun verschiedene Wege, sie sind alle durch unterirdische Tunnel miteinander verbunden. Wir Zwerge sind ein Bergarbeitervolk und unter der Erde so gut wie zu Hause. Seid ihr durch die Gewitterbuche gekommen?«
»Ich glaube schon«, antwortete Magnolia, »wenn du die Rotbuche am Dorfrand meinst.«
Una nickte. »Genau die meine ich und damit hast du auch schon eine von zwei Sehenswürdigkeiten unseres Dorfes kennengelernt. Die zweite Sehenswürdigkeit ist unsere Schmiede. Der alte Brohmer beschlägt dort nicht nur Pferde, sondern ist auch als Silberschmied weit über unsere Grenzen hinaus bekannt.«
»Ich habe die Schmiede vorhin gesehen«, erzählte Magnolia, »davor stand so ein süßes Pony. Vielleicht können wir zusehen, wie es ein neues Hufeisen bekommt.«
»Ach, damit ist Brohmer sicher schon fertig, aber wenn du willst, können wir hinübergehen und nachsehen.«
Una behielt recht. Der Besitzer hatte sein Pony bereits abgeholt und der alte Brohmer saß in Feierabendkleidung vor seinem Haus. Genüsslich zog er an einer Meerschaumpfeife.
»Guten Abend, die Damen«, grüßte er lächelnd, »das nenne ich einen erfreulichen Anblick. Seid ihr gekommen, um dem alten Brohmer ein wenig die Zeit zu vertreiben? Oder darf ich euch mit ein paar haarsträubenden Abenteuern unterhalten, die ich in meiner Jugend erlebt
Weitere Kostenlose Bücher