Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
ihnen einmal gründlich auf die Finger zu klopfen.«
»Du hast recht, doch leider haben wir im Moment andere Sorgen.«
»Hat sich dein langes Ausbleiben denn gelohnt? Gibt es einen ungefährlichen Weg in die Burg?«
»Ja, es ist genau so, wie ich es in Erinnerung hatte. Gehen wir in mein Arbeitszimmer. Die Mädchen sind bei Paula gut aufgehoben.«
»Es ist schon spät. Also fass dich kurz, Jacko«, sagte Linette nicht besonders charmant, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten.
»Greta hat mich gebeten, noch einmal nach Winifried zu sehen, bevor wir gehen, und Magnolia muss morgen zur Schule.«
»Schon gut, schon gut«, erwiderte Jacko ein wenig gekränkt. »Wenn du mit deinem Vortrag fertig bist, fange ich sofort an.«
»Ich bin fertig«, sagte Linette.
»Es ist tatsächlich noch so wie damals. Im Nordturm der Burg gibt es einen Brunnen. Unseren Großvätern ist es seinerzeit gelungen, unbemerkt einen Tunnel bis an den Brunnenschacht zu graben und an einer Stelle durchzubrechen. Sie planten einen Überraschungsangriff. Leider ist es nicht dazu gekommen. Wochenlange Regenfälle hatten den Erdboden aufgeweicht und Regenwasser war bis in die untersten Erdschichten gesickert. Um nicht mehr Lärm als nötig zu machen, hatten unsere Großväter darauf verzichtet, denTunnel sachgemäß abzustützen. Ein fataler Fehler, wie sich nun zeigte. Wasser brach ein und ihnen fiel buchstäblich die Decke auf den Kopf. Zentnerschwere Felsbrocken prasselten auf sie nieder und das letzte Stück bis zum Brunnen wurde verschüttet. Es grenzt an ein Wunder, dass es keine Toten zu beklagen gab. Für Zwerge ist dieser Weg nicht mehr begehbar …«
»Aber eine Maus könnte einen Weg durch das Geröll finden«, beendete Linette den Satz.
Ihre Augen funkelten verschwörerisch. »Genau da liegt unsere Chance. Auf diesem Weg kann ich unbemerkt bis in die Burg gelangen, niemand wird eine winzige Maus beachten.«
Jacko sah seine Freundin zweifelnd an. Sie täuschte ihn nicht.
»Es wird gefährlich werden, und wenn du erst einmal in der Burg bist, bist du ganz auf dich allein gestellt. Selbst in höchster Gefahr können wir nicht eingreifen.«
»Ich weiß«, knurrte Linette, »also hör auf zu unken und sei gewiss, dass ich mich gut vorbereiten werde. Allerdings brauche ich ein paar Tage Zeit, denn so eine Verwandlung geht nicht von jetzt auf gleich.«
Jacko blickte noch immer sorgenvoll. »Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst, und sollte dir das Risiko doch zu groß sein, werden wir deine Entscheidung akzeptieren. Ich sehe mir inzwischen den Zustand des Tunnels an und gebe dir dann Bescheid.«
»Ach, bevor ich es vergesse«, sagte Linette und blieb in der Tür stehen. »Der kleine Toddy wird sich Hustenpastillen für seinen Hamster abholen. Ich lasse dir das Döschen da. Sicherlich kommt er morgen vorbei.«
Sie verabschiedeten sich und Linette holte Magnolia aus der Küche, wo sie sich gerade mit mäßigem Erfolg an einem Spinnrad versuchte.
Anschließend schauten sie gemeinsam nach dem fieberndenWinifried, der in einem Sessel vor dem Kamin saß und die Füße in eine Wanne mit heißem Wasser gestellt hatte.
Linette sah ihm in die Augen, prüfte seine Zunge und fühlte ihm den Puls.
»Eine harmlose Sommergrippe«, diagnostizierte sie dann. »Drei Tage Ruhe und täglich vier Tassen von meinem Erkältungskrachertee, dann bist du wieder auf den Beinen. Ich lasse ihn dir morgen bringen.«
Damit verabschiedeten sie sich und verließen kurz nach Mitternacht das Dorf.
Sie benutzten die Rutsche, hangelten sich über die schreckliche Brücke und standen wenig später zu Hause im Schrank. Für Magnolia war ihr kuscheliges Bett im Turm eine verlockende Vorstellung, und so wünschte sie ihrer Tante eine gute Nacht, stieg hinauf und hoffte, nicht von Trollgesichtern und Wirtshausschlägereien zu träumen.
Siebzehntes Kapitel
Basiliskenblut
Linette durfte noch nicht an Nachtruhe denken. Es waren noch eine Menge Vorbereitungen zu treffen, bevor es ihr möglich sein würde, die Gestalt zu wandeln.
Gängige Zutaten wie Rattenschwanz und Alraunensaft hatte sie natürlich im Haus, aber es gab Zutaten, die mussten zu einem bestimmten Zeitpunkt und unter größten Schwierigkeiten besorgt werden. Bitterling und Natternwurz konnten zum Beispiel nur bei Vollmond geschnitten werden. Der Zufall wollte es, dass sich genau heute Nacht der Mond rundete. In den Meeren stieg die Flut und wenn sie nicht fündig wurde, musste sie volle
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