Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
würde es auch niemanden interessieren, wenn sie hier plötzlich tot vom Stuhl kippte. Schnell trank sie einen Schluck Kaffee.
»Ich halte dich nicht auf«, brummte Linette und gab damit das Stichwort. Erleichtert sprang Magnolias Mutter auf. »Ich hole das Gepäck«, murmelte sie und eilte, ohne ihre Tochter anzusehen, hinaus. Magnolia ging ihr nach. Als sie an die Gartenpforte kam, stand das Gepäck bereits davor und ihre Mutter wartete mit Schmatz im Arm an der offenen Wagentür. Sie lächelte unsicher, kam dann noch einmal zurück, umarmte Magnolia ganz fest und drückte ihr die Kröte in den Arm. »Es ist ja nur für ein Jahr«, flüsterte sie. »Ich schreibe dir jede Woche und … denke ja nicht, mir fällt dieser Abschied leicht.«
Mit diesen Worten drehte sie sich um, sprang ins Auto und brauste davon, ohne auch nur einmal zu winken. In eine Staubwolke gehüllt blieb Magnolia zurück.
»Es fällt dir leicht«, sagte sie traurig.
»Scheint jedenfalls so«, krächzte eine Stimme hinter ihr. »Ist wohl das Beste, wenn ich dir jetzt dein Zimmer zeige.« Tante Linette schlurfte ins Haus und Magnolia trottete benommen hinterher.
Viertes Kapitel
Sieht sie mich?
Magnolias Zimmer befand sich in dem dicken runden Turm und war nur über eine extrem steile Wendeltreppe zu erreichen. Es war spärlich möbliert und bot außer einem Bett, einer geräumigen Kommode und einem kleinen Waschtisch kein nennenswertes Mobiliar. Dafür hatte man einen wundervollen Ausblick nach allen Seiten.
»Die Toilette ist übrigens im Garten, in dem kleinen Holzhäuschen mit dem Herz an der Tür«, sagte Tante Linette mit Sinn fürs Wesentliche. Dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss und Magnolia war endlich allein.
Sie stieß ein Fenster auf und lehnte sich hinaus. Tatsächlich, am Ende des Gartens, direkt vor der hohen Gartenmauer stand eine schiefe Hütte, die kaum größer war als eine Streichholzschachtel. Magnolias Blick wanderte über die Mauer hinaus über grüne Wiesen bis hinunter zu einer Kirche im Tal. Es musste dieselbe Kirche sein, an der sie bereits bei ihrer Anreise vorbeigekommen waren. Plötzlich stieg über dem Friedhof eine Wolke schwarzer Vögel auf und verschwand lautlos im nahen Wald. Magnolias Herz machte einen Salto. Was waren das für Vögel? Doch wohl keine Raben! Unglücksraben, Todesvögel.
»Bitte nicht auch noch Raben«, flüsterte sie und ihre Stimme zitterte verdächtig. Unwillig wischte sie eine Träne fort, die über ihre Wange rollte, ohne um Erlaubnis zu fragen. Es fehlte noch, dass sie jetzt anfing zu heulen wie ein Baby. Sie war es doch gewohnt allein zu sein. Zu Hause hatte sie ihre Mutter oft den ganzen Tag nicht zuGesicht bekommen und es hatte ihr nichts ausgemacht. Sie hatte ferngesehen oder sich in ihr Bett gekuschelt oder mit Freunden telefoniert oder … Ihre Unterlippe zuckte. Es war überhaupt nicht zu vergleichen mit dem Leben in diesem … diesem Hexenhaus.
Verzweifelt warf Magnolia sich auf das Bett und schluchzte hemmungslos in die Kissen. Sie wusste, dass es dumm war, sich selbst zu bemitleiden. Aber es tat so gut, den Gefühlen endlich freien Lauf zu lassen. Erst als keine einzige Träne mehr in ihr war, hob sie schniefend den Kopf.
Schmatz‘ große, grüne Glubschaugen blickten sie vorwurfsvoll an.
Was liegst du hier herum und heulst? Steh lieber auf und such die Rosinen im Kuchen!, schien er streng zu sagen. Schmatz hatte noch nie Verständnis für Menschen gehabt, die sich wie Waschlappen benahmen.
»Du hast gut reden, dumme Kröte«, murrte Magnolia, während sie sich aufsetzte. »Dich schiebt schließlich niemand mutterseelenallein in ein Hexenhaus ab. Du hast dein Frauchen immer bei dir.« Sie straffte entschlossen die Schultern – und fühlte sich augenblicklich besser.
Nach ein paar weiteren Augenblicken war sie sogar bereit, den Rat der Kröte zu beherzigen und das Beste aus der Situation zu machen. Entschlossen stand sie auf.
Es war völlig dunkel im Turm. Lebensgefährlich dunkel. Vorsichtig tastete Magnolia sich die steile Treppe hinab. Aus einem der unteren Räume drang Tante Linettes raue Stimme. Hatte sie Besuch? Neugierig beugte Magnolia sich über das Geländer und lauschte.
»Sie ist vorhin angekommen«, knarrte die Stimme ihrer Tante.
Eine kurze Pause folgte, dann antwortete eine tiefe, fremde Stimme: »Ein schlechter Zeitpunkt. Nachts brennen auf der Burg wieder die Feuer. Was wirst du also mit ihr tun?«
»Was bleibt mir schon übrig?«, fragte
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