Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
Kopf.
»Bedeutet das, ich habe mich die ganze Zeit unnötig auf dem blöden Rad abgestrampelt und hätte genauso gut gemütlich auf einem Besen nach Rauschwald schweben können?«
»Nein, Schätzchen, das bedeutet es nicht, denn du besitzt keinen Besen.«
Als es Zeit zum Aufbruch wurde, machte sich auch Linette reisefertig. Sie hüllte sich in ihren Hexenmantel und setzte den dazugehörigen Hut auf. Magnolia staunte. So respekteinflößend und würdig hatte sie ihre Tante noch nie gesehen. Als Kräuterhexe hatte ihr Mantel das kräftige, dunkle Grün von Rosmarin und war über und über mit silbernen Sträußchen bestickt.
Linette zog ihren Hexenhut über die Ohren, wandte sich an Magnolia und fragte: »Bist du bereit?«
»Eigentlich nicht«, antwortete diese kleinlaut und zwang sich zu einem schiefen Lächeln.
»Kopf hoch, Mädchen, natürlich bist du bereit. Wenn du diese Prüfung nicht bestehst, dann besteht sie auch keine andere«, munterte ihre Tante sie auf und holte einen abgenutzten Reisigbesen aus dem Schrank.
Magnolia bekam große Augen. Da hatte sie allerdings mehr erwartet.
»Ist er das? Ich meine … ich … er sieht irgendwie ganz normal aus.«
Tante Linette schnaubte verächtlich und trat hinaus in den Garten. Magnolia beeilte sich nachzukommen.
»Es könnte ein wenig eng werden, aber wir beide sind ja schlank.« Linette klemmte sich den Besen zwischen die Beine und nickte Magnolia zu.
»Na los, worauf wartest du? Steige hinten auf und halte dich gut an mir fest.«
Magnolia tat wie ihr geheißen und klammerte sich an ihre Tante. Ein bisschen lächerlich kam sie sich schon vor. Außerdem konnte man nur hoffen, dass Tante Linette mit dem Besen besser unterwegs war als mit dem Rad.
»Nach oben hinaus und nirgends an!«, rief Linette und stieß sich mit beiden Beinen vom Boden ab. Lautlos stieg der Besen mit seiner Last in die Höhe.
Schnell waren sie zwischen den Baumkronen und Magnolia stellte fest, dass sie vergessen hatte, die Lampe in ihrem Turm zu löschen.Höher und höher stieg der Besen, dann blieb er mitten in der Luft stehen, peilte wie eine Kompassnadel sein Ziel an und zischte darauf los. »Wir haben Neumond!«, rief Tante Linette. »Eine Nacht, wie für Hexen gemacht.«
Die Luft war hier oben eiskalt, doch Magnolias Mantel wärmte ausgezeichnet. Auch das Gefühl, links und rechts vom Besen zu rutschen, ließ mit jedem Kilometer nach, den sie zurücklegten.
Es war fantastisch über das dunkle Land zu fliegen. Hier und dort brannten Halloweenfeuer auf Wiesen oder in Gärten und winzige Gestalten sprangen vergnügt darum herum.
»Ist es denn klug, unsere Hexenweihe genau an Halloween zu machen, wo die Menschen in Scharen auf den Blocksberg pilgern?«
»Es macht schon Sinn«, schrie Tante Linette gegen den Flugwind an. »Für uns Hexen ist heute von jeher ein Feiertag. Der Sommer ist vorbei und der Winter und die Nacht treten nun ihre Regentschaft an. Und was die Pilger zum Blocksberg betrifft, da hat Pestilla ganz sicher vorgesorgt.«
»Jjjjjjuuuuuuiiiiiii!! Linette, alte Hütte, ist deine olle Krücke von Besen auch noch am Leben? Pass auf, dass du mit dem Ding nicht in der Luft stehen bleibst!!«
Verdutzt hob Magnolia den Kopf. Knapp zwei Meter über ihnen flog eine Hexe mit Taucherbrille.
»Wie nett du dich um mich sorgst, Klara. Wir sehen uns auf dem Brocken, wenn du dir vorher nicht den Hals brichst!«
»Ade, meine Lieben, ade!«, rief Klara vergnügt und gab ihrem Besen die Sporen. Tief über den Besenstiel geduckt, schoss sie davon.
»Alte Angeberin«, murrte Linette.
Immer häufiger trafen sie jetzt auf anreisende Hexen. Zuerst und aus der Ferne glaubte Magnolia, es seien die Positionslampen von Flugzeugen, bis sie bemerkte, dass manche Hexen mit Beleuchtung reisten.
Zisch – »Aus dem Weg!«, krakeelte eine besonders unangenehme Stimme und eine Hexe in zerfleddertem, schlammfarbenen Mantel preschte haarscharf an ihnen vorbei. Erschrocken zog Magnolia den Kopf ein.
»Gause, du alte Sumpfschnepfe!«, schrie Linette wütend. »Ich habe dich bei unserem letzten Treffen gewarnt. Deinen lebensgefährlichen Flugstil sehe ich mir nicht mehr länger mit an!« Kurzerhandschleuderte sie einen Kugelblitz aus ihrem gestreckten Zeigefinger und setzte das Reisigbüschel an Gauses Besen in Brand.
Gause kreischte auf und antwortete augenblicklich mit einem Bombardement aus knallfroschartigen Geschossen, denen Linette nur dank ihrer außerordentlichen Flugkünste ausweichen
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