Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
Gestalt. Die tausend Fledermäuse schwangen sich samt Schlitten in die Luft und die Oberhexe bestieg einen eilig herbeigeschleppten Thron aus bleichen Knochen.
»Gleich ist es so weit«, flüsterte ihre Tante. »Ich muss jetzt meinen Platz im Hexenrat einnehmen. Du wartest hier, bis du aufgerufen wirst.« Aufmunternd kniff sie Magnolia in die Wange und drängte sich durch die Menge. Sekunden später saß sie mit zwölf weiteren Hexen auf dem Hexenaltar, gegenüber der Teufelskanzel.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Die Hexenweihe
Die Angehörigen des Hexenrates waren allesamt nicht mehr jung und strahlten Autorität aus. Magnolias Blick hing an einer scheußlichen Gestalt, die violette Augen hatte und einen verschorften Glatzkopf, den sie unablässig kratzte. Woher kannte sie diese Hexe nun schon wieder?
»Hexen, hexen«, sagte da ein bleiches, schwarzhaariges Mädchen neben ihr und schaute sie aus stumpfen, roten Augen an.
»Stimmt, der Film«, sagte Magnolia und fragte dann empört: »Hast du etwa meine Gedanken gelesen?«
»Kleinigkeit«, antwortete das Mädchen.
»Wie heißt du?«
»Eugenie.«
»Bist du auch wegen der Aufnahmeprüfung hier?«
Eugenie nickte und ließ die Oberhexe nicht aus den Augen.
»Ich bin eine Banshee«, sagte sie dann.
Interessiert sah Magnolia sie an. Dieses Mädchen war so ganz anders als sie selbst.
»Woher weißt du das so genau?«, fragte sie deshalb.
»So etwas vererbt sich«, antwortet Eugenie gelangweilt. »Meine Mutter ist eine Banshee, also was sollte ich sonst sein? Außerdem ist mein Anblick für Sterbliche verheerend«, fügte sie hinzu und ein kleines Lächeln umspielte ihren Mund.
Ein unangenehmes Mädchen. Magnolia hatte immer weniger Lust, eine Banshee zu sein.
»Wo ist deine Mutter jetzt?« Magnolia musste sie einfach löchern.
»Da hinten.« Eugenie deutete mit einer vagen Kopfbewegung nach links. »Wir Banshees mögen den Trubel nicht.«
Tatsächlich stand abseits der Menge eine große, schlanke Frau und blickte wehmütig über das Land. Ihre pechschwarzen Haare flatterten im Wind und erinnerten Magnolia an die Schwingen eines Raben.
»Meine Großmutter war auch eine Banshee«, sagte sie dann, »aber meine Mutter hat es nicht geerbt. Es hat eine Generation übersprungen und ist auf mich übergegangen.«
»Was ist auf dich übergegangen?«, fragte Eugenie verdutzt.
»Die Banshee«, erklärte Magnolia leicht genervt.
Jetzt brach Eugenie in schallendes Gelächter aus. »Du, eine Banshee?«
Magnolia wurde feuerrot und hätte ihr am liebsten eine geknallt.
Zum Glück wurde diese unerfreuliche Unterhaltung durch die dröhnende Stimme der Oberhexe unterbrochen. Sie stand mit erhobenen Armen auf der Teufelskanzel und rief: »Willkommen, meine schönen, wilden Schwestern! Willkommen an Samhain und zu unserer achthundertdreiundsiebzigsten Hexenweihe. Ganze acht Jahre sind ins Land gegangen, ehe es wieder genug Anwärterinnen und Anwärter für die Aufnahme in unseren Hexenzirkel gab. Ein bitteres Zeichen, wie es um unsere Zunft bestellt ist. Aber wir wollen heute keine Trübsal blasen, sondern zuversichtlich und stolz in die Zukunft schauen.«
Die Hexen applaudierten.
Pestilla stieg von der Kanzel und malte mit ihrem Zauberstab ein brennendes Pentagramm auf den Boden. Dann klatschte sie in die Hände.
»Aspirantinnen und Aspiranten, tretet vor!«
Die Kapelle spielte einen Tusch und Magnolia, Eugenie und sechsweitere Jungen und Mädchen stellten sich nervös zwischen der Teufelskanzel und dem Hexenaltar auf. Die Holzscheite des Feuers krachten und Magnolia spürte die gewaltige Hitze der Flammen in ihrem Nacken. Ihr Herz schwirrte wie ein Kolibri.
»Alle Prüflinge sind Anfänger in Sachen Hexerei«, ergriff Pestilla erneut das Wort, »deshalb kann man bei dieser Aufnahmeprüfung eigentlich nicht von einer Prüfung sprechen. Es gibt kein magisches Wissen, das überprüft werden könnte. Und dennoch verfügt eine jede ordentliche Hexe über angeborene Fähigkeiten, die Normalsterbliche nicht besitzen. Diese Fähigkeiten, tief in eurem Innern verborgen, wollen wir heute Nacht herauskitzeln und so die Spreu vom Weizen trennen. Noch Fragen? Gut, dann macht euch bereit.«
In diesem Moment stand eine einäugige, tintenblaue Hexe aus dem Hexenrat auf und drehte mit einem lautem Knacksen ihren Kopf auf den Rücken. Ein scheußliches Geräusch.
Prompt sackte ein rothaariges Mädchen mit ersticktem Gurgeln ohnmächtig zu Boden.
»Weg mit ihr!«, rief Pestilla ohne
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