Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
sie einfach von den Füßen fegte. Hart schlug sie mit dem Hinterkopf auf einen Grabstein auf. Das Letzte, was Magnolia sah, war der goldene Schlüssel neben ihr im Gras, dann verlor sie das Bewusstsein.
Die Bilder kehrten zurück, als jemand ihr schmerzhaft die Wange tätschelte. Magnolia lag, alle viere von sich gestreckt, auf dem Festplatz und sämtliche Ratsmitglieder beugten sich neugierig und besorgt über sie.
»Na, da haben wir uns wohl gründlich getäuscht«, bellte die Oberhexe zur Begrüßung. »Eine Banshee bist du jedenfalls nicht.«
»Das wäre beinahe ins Auge gegangen«, klagte Tante Linette, »wie konnte ich nur so blind sein?«
»Unsinn! Du warst nicht blind«, versuchte die Oberhexe sie zu beruhigen. »Wir haben uns alle vom Kuss der Banshee täuschen lassen. Diese Lektion hat uns wieder einmal gelehrt, auch bei den offensichtlichsten Fällen dreimal hinzusehen. Zum Glück ist es noch einmal gut gegangen und sie konnte sich durch einen Kugelblitz selber retten. Bringen wir nun die Prüfung endgültig hinter uns und schicken die letzte Anwärterin in ihre Aufgabe.«
Pestilla wollte sich gerade dem letzten Mädchen zuwenden, als Magnolia sich auf ihre Unterarme stützte und mit krächzender Stimme fragte: »Wenn ich keine Banshee bin, was bin ich dann?«
»Richtig«, die Oberhexe kam noch einmal zurück. »Du bist eine Windsbraut, Mädchen. Kein Zweifel.«
Und mit diesen Worten stapfte sie endgültig auf Daphne Dunkelbeil zu.
Daphne sah ihrer Aufgabe nicht gerade freudig entgegen, und man musste kein Hellseher sein, um ihre Gedanken zu lesen.
»Eine Windsbraut, eine Wetterhexe!«, jubelte Tante Linette und half ihrer Nichte auf die Beine. »Wie fühlst du dich?« Besorgt sah sie Magnolia an. »Es tut mir so leid, Schäfchen. Wir haben sofort gespürt, dass etwas nicht stimmt. Die Verbindung wurde ständig unterbrochen und wir konnten nicht eingreifen. Erst als du den Schlüssel in der Hand hattest, war es Pestilla möglich, dich zurückzuholen.« Betrübt schüttelte Tante Linette den Kopf. »Dabei schien alles so klar. Deine Großmutter war eine Banshee und so etwas vererbt sich weiter. Dass dabei einmal eine Generation übersprungen wird, kommt vor, aber eine ganz andere Art? So etwas ist im Grunde nicht möglich.« Ratlos sah Linette Magnolia an.
»Mach dir darüber keine Gedanken«, beruhigte Magnolia sie. »Ich bin froh, keine Banshee zu sein. Es ist so ein deprimierender Job.«
Linette lachte. »Du hast recht. Windsbraut passt viel besser zu dir. Du kannst mit der wilden Jagd über den Himmel reiten und Blitz und Donner befehlen.«
»Ich habe Gewitter schon immer geliebt«, sagte Magnolia, »jetzt kenne ich endlich den Grund dafür.«
»Trotzdem möchte ich wissen, woher du das geerbt hast.« Der Gedanke ließ Linette nicht los. »In unserer Familie hat es nie Wetterhexen gegeben. Eine Knusperhexe war einmal darunter«, sie rümpftedie Nase, »aber eine Wetterhexe nie. Bleibt nur die Familie deines Vaters.«
Magnolia sah erstaunt auf. An ihren Vater hatte sie dabei überhaupt nicht gedacht.
»Möglich, dass du deine Fähigkeiten aus einer Linie der amerikanischen Hexen geerbt hast«, fuhr Linette fort. »Womöglich bist du Nachfahrin einer der berühmten Hexen von Salem?« Linettes Stimme bekam einen bewundernden Klang. »So muss es sein, deine Großmutter oder Urgroßmutter väterlicherseits war eine Wetterhexe und du hast es von dort geerbt. Wie dumm von mir, dass ich diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen habe.«
»Aber woher habe ich das Mal, wenn ich gar keine Banshee bin?«, unterbrach Magnolia.
Linette zuckte mit den Schultern. »Du wirst einen winzigen Teil der Banshee in dir haben. Denk nur an die Raben. So etwas kommt äußerst selten vor. Mir ist nur ein Fall solch einer unglücklichen Verschmelzung bekannt.« Linette schüttelte den Kopf. »Ständig bekämpfen sie sich selbst …« Magnolia horchte auf. Doch Linette sagte nichts mehr.
Daphne Dunkelbeil hatte ihre Aufgabe ohne Zwischenfall gelöst und war wohlbehalten zurückgekehrt. Damit waren die Prüfungen beendet. Die Kapelle schmetterte »Von den blauen Bergen kommen wir« und die gesamte Prozession zog feierlich dreimal um den Festplatz, bevor die Oberhexe würdevoll auf ihrem Thronsessel Platz nahm. Mit dem Wink ihres Zauberstabs verscheuchte sie ein paar Regenwolken, die sich heimtückisch angeschlichen hatten, und rief dröhnend: »Hexenanwärterinnen und -anwärter! Oder sollte ich besser sagen,
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