Magnus Jonson 01 - Fluch
erstickten, war es wichtig, den Teufel zu verstehen.
Jeder in der Gemeinde von Hruni kannte das furchtbare Schicksal der Vorfahren, die mit dem Satan getanzt hatten und für ihre Sünden vom Erdboden verschluckt worden waren.
Martin Luther hatte den Teufel ebenfalls verstanden. So wie Jón Þorkelsson Vídalín, bei dessen Predigten aus dem siebzehnten Jahrhundert der Pastor sich großzügig bediente. Auf Bitten der Bauersfrau hatte der Pastor sogar einen Segen aus der alten Liturgie vor 1982 gesprochen, um das Haus vor bösen Geistern zu schützen. Es hatte funktioniert. Die Farbe war in die Wangen der alten Dame zurückgekehrt, und sie hatte etwas essen wollen, das erste Mal seit einer Woche.
Der Pastor besaß eine natürliche Autorität in spirituellen Fragen, die den Menschen Zuversicht vermittelte. Und sie machte ihnen Angst.
Früher hatte er immer mit seinem alten Freund Dr. Ásgrím im Doppelpack gewirkt, denn auch der Arzt hatte gewusst, wie wichtig es war, dass der Patient an seine eigene Heilung glaubte. Aber der Doktor war jetzt schon seit fast siebzehn Jahren tot. Seine Nachfolgerin, eine junge Frau, die aus einem fünfzehn Kilometerentfernten Dorf anreiste, glaubte nur an Medikamente und tat ihr Bestes, um den Pastor von ihren Patienten fernzuhalten.
Ásgrím fehlte ihm. Der Doktor war der zweitbeste Schachspieler der Gegend gewesen – besser war nur der Pastor selbst – und der zweitbelesenste Mensch. Der Pastor brauchte die geistige Anregung durch einen anderen Intellektuellen, besonders an den langen Winterabenden. Seine Frau, die ihn einige Jahre nach Ásgríms Tod verlassen hatte, fehlte ihm nicht. Sie hatte die zunehmende Exzentrik ihres Mannes weder verstanden noch gemocht.
Die Gedanken an Ásgrím riefen dem Pastor die Meldung vom Vortag in Erinnerung – der Professor, der ermordet im Þingvellir-See gefunden worden war. Der Pastor runzelte die Stirn und steuerte auf das Haus zu.
Aus dem Augenwinkel sah er unten im Tal den Sohn des Bauern, der sich um den zur Kirche gehörenden Hof kümmerte. Er war ein rothaariger Bursche von vierzehn Jahren und hieß Siggi. Siggi war vom Feld unterwegs nach Hause, hatte aber die Richtung geändert, als er den Pastor erblickte.
Den Pastor störte es nicht, dass Siggi ihm aus dem Weg ging. Respekt für einen Mann des Glaubens war gut, außerdem wusste er, dass der Junge von ihm fasziniert war. Oft hatte er gesehen, wie Siggi durch die kleinen Scheunenfenster spähte und ihn beobachtete.
An die Arbeit! Der Pastor verfasste gerade eine größere Studie über den mittelalterlichen Wissenschaftler Sæmundur den Gelehrten. Dreiundzwanzig Hefte hatte er bereits in Schreibschrift gefüllt, mindestens zwanzig lagen noch vor ihm.
Er fragte sich, ob sein Ruf jemals an den von Sæmundur heranreichen würde. Würde irgendwann ein zukünftiger Pastor von Hruni über ihn schreiben? Es erschien ihm abwegig. Aber vielleicht würde er eines Tages auserwählt werden, etwas zu tun, was die ganze Welt sehen würde.
Eines Tages.
Árni hatte Schwierigkeiten, besonders an einem Samstag, in Island jemanden aufzutreiben, der des Elbischen mächtig war.
Die beiden Professoren von der Universität, die er anrief, reagierten abweisend auf seine Bitte. Tolkien war nicht Gegenstand ernsthafter Studien, und der einzige Mensch, der Interesse an dem britischen Autor gehabt hätte, sei Agnar selbst gewesen, wobei seine Kollegen allerdings bezweifelten, dass er Elbisch gesprochen habe. Daher schlug Magnus Árni vor, ins Internet zu gehen und zu sehen, was er dort fand.
Auch Magnus selbst beschloss, sich mit Hilfe des Netzes auf die Suche nach Isildur zu machen. Es lag auf der Hand, dass Isildur mehr zu sagen hatte als Steve Jubb, wahrscheinlich war er derjenige, von dem das Geld stammte. Auch wenn Steve Jubb nichts über das Geschäft mit Agnar verraten wollte – Isildur würde es vielleicht tun. Wenn sie ihn auftreiben konnten.
Je länger Magnus darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher schien es ihm, dass Isildur ein Freund von Jubb aus Yorkshire war. So einen Spitznamen fand man eher in der Welt des Internets als in der realen.
Doch bevor Magnus sich an die Arbeit machen konnte, wartete eine E-Mail auf ihn, weitergeleitet von Agent Hendricks, der glücklicherweise samstags zu arbeiten schien.
Sie war von Colby.
Magnus holte tief Luft und öffnete sie.
Magnus,
die Antwort kann nur »Nein« lauten. Ich spüre, dass Du es nicht ernst meinst, also mach mir nichts
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