Magnus Jonson 01 - Fluch
direkt um die Ecke von seinem Hotel. Wir können überprüfen, ob sich jemand an ihn erinnert.
Und wenn er es als Einschreiben versendet hat, kann man es nachverfolgen, auch die Adresse, an die es ging.«
»Und wenn der Deal nicht zustande kam? Weil sie sich um den Preis stritten?«
»Feldman und Jubb brauchten Agnar lebend, bis sie das Original der Saga in ihrem Besitz hatten.« Baldur seufzte. »Aber wir kommen voran. Ich knöpfe mir noch mal Steve Jubb vor. Morgen früh bekommen wir ihn aus Litla Hraun zurück.«
»Darf ich dabei sein?«, fragte Magnus.
»Nein«, beschied Baldur knapp.
»Was ist mit Lawrence Feldman in Kalifornien?«, hakte Magnus nach. »Jetzt ist es doch noch wichtiger, mit ihm zu sprechen, oder?« Magnus spürte, wie Árni hinter ihm vor Anspannung erstarrte.
»Ich habe gesagt, ich würde darüber nachdenken, und genau das werde ich auch tun«, gab Baldur zurück.
»Aha«, machte Magnus und steuerte auf die Tür von Baldurs Büro zu.
»Und noch was, Magnus«, sagte Baldur.
»Ja?«
»Du hättest das mit der Saga melden müssen, bevor du zu Ingileif gefahren bist. Ich leite diese Ermittlung.«
Magnus wollte widersprechen, auch wenn er wusste, dass Baldur recht hatte. »Gut«, sagte er. »Tut mir leid.«
Árni fuhr zu Ingileif, um sie auf die Dienststelle zu bringen, wo man ihr die Fingerabdrücke abnehmen wollte. Magnus rief Nathan Moritz an, einen Kollegen von Agnar an der Universität, der bereits von der Polizei befragt worden war. Moritz war zu Hause, und Magnus bat ihn, auf die Dienststelle zu kommen, um sich etwas anzusehen. Anfangs reagierte der Professor zurückhaltend, doch als Magnus erwähnte, es handele sich um eine englische Übersetzung der verlorenen Saga von Gauk und seinem Bruder Ísildur, sagte Moritz, er sei sofort da.
Moritz war Amerikaner, ein kleiner Mann von rund sechzig Jahren mit einem gepflegten Spitzbart und wirrem grauem Haar. Er sprach perfekt Isländisch, nicht besonders verwunderlich bei einem Lehrbeauftragten für diese Sprache. Er sei von der Universität Michigan für zwei Jahre an die Universität von Island ausgeliehen. Als Magnus durchblicken ließ, dass bei ihm eine ähnliche Regelung getroffen worden sei, gingen sie zum Englischen über.
Magnus besorgte einen Kaffee für Moritz, und sie setzten sich in ein Vernehmungszimmer. Das getippte Manuskript aus dem Ferienhaus lag vor Magnus. Moritz hatte selbst ein Buch mitgebracht, ein großes gebundenes Exemplar. Er war so aufgeregt, dass er kaum stillsitzen konnte, und verschmähte seinen Kaffee.
»Ist sie das?«, fragte er. »Gauks Saga?«
»Das glauben wir.«
»Woher haben Sie sie?«
»Es handelt sich offenbar um eine von Agnar erstellte englische Übersetzung.«
»Daran hat er also gearbeitet!«, rief Moritz. »In den letzten Wochen war er mit irgendwas schwer beschäftigt. Er behauptete, er kommentiere die französische Übersetzung der Laxdæla-Saga, aber das kam mir sonderbar vor. Ich kenne Agnar seit Jahren, habe mit ihm an verschiedenen Projekten zusammengearbeitet, und er gehörte nie zu den Leuten, die sich groß wegen der Termine unter Druck setzen.« Moritz schüttelte den Kopf. »Gauks Saga.«
»Ich wusste gar nicht, dass es sie gibt«, bemerkte Magnus.
»Tut es auch nicht. Das dachten wir zumindest alle. Früher gab es sie schon. Sehen Sie hier!« Moritz schlug das Buch vor ihm auf. »Dies ist eine Reproduktion des Buchs von Mödruvellir aus dem vierzehnten Jahrhundert, eine der wichtigsten Saga-Sammlungen. Sie enthält insgesamt elf Stück.«
Magnus ging um den Tisch herum und stellte sich hinter Moritz, der durch das Buch blätterte. Auf jeder der braunen Seiten befand sich eine getreue Abschrift des Originalpergaments. Bei einer fastleeren Seite, auf die lediglich zwei verblasste Zeilen geschrieben waren, hielt er inne. Der Text war nicht zu entziffern.
»Es gibt eine große Lücke zwischen Njáls Saga und Egils Saga. Bis zur Entdeckung ultravioletter Strahlen konnte niemand diese Zeilen lesen. Inzwischen weiß man, was hier steht.« Moritz zitierte aus dem Gedächtnis: »Hier Gauks Saga Trandilssonar ein fügen; mir wurde berichtet, Grím Thorsteinsson besitzt ein Exemplar.« Lächelnd sah er Magnus an. »Wir wussten, dass es mal eine Saga von Gauk gegeben hatte, aber wir dachten, sie sei verschollen, wie so viele andere. Gauk wird nur einmal ganz kurz in Njáls Saga erwähnt. Da steht, dass er von Ásgrím getötet wurde.«
»Wenn Sie die Saga lesen, dann erfahren Sie
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