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Magnus Jonson 01 - Fluch

Titel: Magnus Jonson 01 - Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Priester aus der Fassung bringen lassen.
    »Glaubst du an Gott, mein Kind?«
    Vigdís wunderte sich über die Frage, wollte ihre Überraschung aber auf keinen Fall zeigen. »Das hat keinerlei Bedeutung für diese Ermittlung«, sagte sie. Sie wollte sich die Befragung nicht von diesem Mann aus den Händen nehmen lassen.
    Der Pastor schmunzelte. »Ich staune immer wieder darüber, wie Beamte diese einfache Frage zu umgehen suchen. Es ist fast so, als würden sie sich dafür schämen, es zuzugeben. Oder sie schämen sich dafür, es nicht zu tun. Wie sieht es bei dir aus?«
    »Ich bin Polizeibeamtin, ich stelle die Fragen«, sagte Vigdís. »Du hast recht, das ist nicht unmittelbar von Bedeutung. Aber meine nächste Frage schon. Glaubst du an den Teufel, Vigdí s?«
    Ohne es zu wollen, antwortete sie: »Nein.«
    »Das wundert mich. Ich dachte, bei Leuten von deiner Hautfarbe wäre die Vorstellung, dass es einen Teufel gibt, willkommen.«
    »Wenn es einen Teil von mir gibt, der abergläubisch ist, dann ist es sicher die isländische Hälfte«, sagte Vigdís.
    Der Pastor lachte, ein tiefes, volles Poltern. »Das ist wohl wahr. Aber das ist kein Aberglaube, beziehungsweise ist es mehr als das. Die Art des Glaubens ist in Island anders als in anderen Ländern, das muss so sein. Wir können das Gute und das Böse sehen, wir erkennen die Macht und den Frieden in der Landschaft um uns herum. Wir sehen es nicht nur, wir hören es, riechen es, fühlen es. Es gibt nichts, was mit der Schönheit der Mittagssonne vergleichbar wäre, die sich in einem Gletscher spiegelt, oder mit der Friedlichkeit eines Fjords in der Morgendämmerung. Doch wir als Volk haben ebenfalls die Schrecken von Vulkanausbrüchen und Erdbeben erfahren, wir kennen die Angst, uns in einem Schneesturm zu verirren, die öde Leere der Lavawüsten. In diesem Land kann man den Schwefel riechen . Doch selbst auf den kahlsten Lavaflächen sehen wir inmitten von Eis und Asche die ersten schwachen Anzeichen von Leben. Die Moose siedeln sich auf der Lava an und zersetzen sie, bis sie in ein paar Millionen Jahren zu fruchtbarer Erde wird. Dieses ganze Land ist im Werden begriffene Schöpfung.« Der Pastor lächelte. »Gott ist hier.« Er hielt inne. »Und der Teufel ebenso.«
    Ohne es zu wollen, hörte Vigdís ihm zu. Das bedächtige, tiefe Brummen seiner Stimme fesselte ihre Aufmerksamkeit. Nur sein Blick beunruhigte sie. Sie spürte Panik in sich aufsteigen und hatte das plötzliche Verlangen, aus dem Arbeitszimmer zu stürzen und so weit und so schnell wie möglich fortzulaufen. Doch sie konnte sich nicht bewegen.
    »Sæmundur hat den Teufel verstanden.« Der Pastor wies mit dem Kinn zur Wand. »Wie du weißt, wurde er vom Satan in Paris in die Schule der Schwarzen Künste eingeführt. Der Legende nach hat er den Teufel mehrfach überlistet, einmal beschwatzte er ihnsogar, die Gestalt eines Seehunds anzunehmen und ihn von Frank reich nach Island zu bringen. Aber Sæmundur war auch der erste Historiker Islands, vielleicht sogar der größte. Selbst wenn sein Werk verschollen ist, wissen wir doch, dass die Autoren der Sagas auf seine Geschichte der Könige Norwegens zurückgriffen und sie bewunderten. Ein großartiger Mann. Ich habe mein Leben der Erforschung seiner Person gewidmet.« Der Pastor wies auf eine Reihe von rund zwanzig dicken Schreibheften in einem Regal direkt neben seinem Tisch. »Es geht nur sehr langsam voran. Aber ich habe einige interessante Entdeckungen gemacht. Professor Agnar wollte, dass ich ihm davon berichte.«
    »Und das hast du getan?«, brachte Vigdís hervor.
    »Natürlich nicht«, gab der Pastor zurück. »Eines Tages wird das alles veröffentlicht werden, aber dieser Tag liegt noch in weiter Ferne.« Er lächelte. »Andererseits war es wohltuend, dass endlich ein Universitätsprofessor erkannte, wie ein einfacher Landpfarrer zur wissenschaftlichen Forschung seiner Nation beitragen kann. Sæmundur selbst war Priester in Oddi, nicht weit von hier.«
    »Wie lange dauerte euer Gespräch?«
    »Zwanzig Minuten, höchstens.«
    »Erwähnte Agnar einen Engländer namens Steve Jubb?« »Nein.«
    »Oder vielleicht eine Frau namens Ingileif Ásgrímsdóttir? Sie stammt aus Fluðir.«
    »O ja, ich kenne Ingileif«, sagte der Pastor. »Eine nette junge Frau. Aber, nein, der Professor sprach nicht von ihr. Ich wusste nicht, dass er sie kannte. Aber ich glaube, sie hat an der Universität Isländisch studiert, vielleicht war er ja ihr Lehrer.«
    Vigdís

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