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Magnus Jonson 01 - Fluch

Titel: Magnus Jonson 01 - Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Vater zu haben. Ein Teil von Magnus wollte das gern glauben und für den Rest seines Lebens die Wahrheit leugnen.
    Doch durch seine Arbeit bei der Polizei hatte Magnus genug verkommene Familienverhältnisse gesehen, um zu wissen, dass es nur zu einleuchtend war, was Sigurbjörg ihm erzählt hatte. Außerdem erklärte es den abgrundtiefen Hass seines Großvaters.
    Magnus hatte immer gedacht, wie ehrenhaft es von seinem Vater gewesen war, der Mutter nicht die Schuld an dem Durcheinander zu geben, das sie aus ihrer aller Leben gemacht hatte. Doch es war gar kein Edelmut gewesen. Es war die Erkenntnis, dass er teilweise selbst die Schuld trug. Oder sogar die ganze Schuld?
    Magnus wusste es nicht. Er würde es nie erfahren. Eine typische kaputte Familie. Schuldgefühle an allen Ecken.
    Das alles bedeutete, dass sein Vater anders gewesen war, als Magnus geglaubt hatte. Nicht ehrenhaft. Ein Ehebrecher. Jemand, der seine Frau verließ, als sie am schwächsten und verletzlichsten war.Magnus hatte schon immer geahnt, dass sein Vater das Verhältnis mit Kathleen, die später seine Stiefmutter wurde, schon begonnen hatte, als sie noch mit jemand anderem verheiratet gewesen war. Er hatte nur nicht richtig darüber nachdenken wollen.
    Sicher hatten Isländer eine etwas entspanntere Haltung zum Ehebruch als die prüden Amerikaner, doch es war und blieb falsch. So etwas machten Normalsterbliche, aber doch kein Ragnar.
    Was hatte der Vater noch getan? Welche Fehler hatte er vor seinen Söhnen verborgen? Oder vor seiner Frau?
    Magnus’ Bier war immer noch halbvoll, nur der Schnaps war leer. Er warf dem Barkeeper mit dem rasierten Schädel einen Blick zu und tippte an sein Glas. Es wurde wieder aufgefüllt.
    Die Flüssigkeit brannte ihm in der Kehle. Langsam wurde sein Kopf angenehm benebelt. Aber Magnus wollte nicht aufhören, noch lange nicht. Heute würde er so lange trinken, bis es wehtat.
    So hatte er am College getrunken, nach dem Tod seines Vaters. Damals besoff er sich besinnungslos. Und am nächsten Morgen fühlte er sich völlig elend. Dieses anschließende Gefühl der Selbstzerstörung war für ihn einer der beiden Gründe fürs Trinken.
    Zu jener Zeit hatte Magnus fast alle Freunde verloren, bis auf ein paar ausgewählte, abgehärtete Trinker wie er selbst. Seine Professoren waren entsetzt, er rutschte in seinen Leistungen ab, wurde von einem der Besten zu einem der Schlechtesten. Fast wäre er von der Uni geworfen worden. Doch wie sehr er sich auch bemühte, es wollte ihm nicht gelingen, sein Leben vollständig zu zerstören.
    Anders als seine Mutter. Die war damit erfolgreicher gewesen.
    Es war ein Mädchen gewesen, das Magnus aus alldem heraus holte: Erin. Ihre Geduld, ihre Entschlossenheit, ihre Liebe machten ihm klar, dass er sich selbst zerstörte – das wusste er zwar schon, darum ging es ja schließlich –, doch durch sie wurde ihm klar, dass er weiterleben wollte.
    Nach dem College war sie ihrer Wege gegangen, hatte in Schulen in den schlimmsten Ecken von Chicago unterrichtet, und auchMagnus hatte seinen Weg eingeschlagen. Er stand tief in ihrer Schuld.
    Aber jetzt wollte er auf seine Mutter trinken. Er hob das Bierglas. »Auf Margrét«, sagte er.
    »Wer ist Margrét?«, fragte ein großer Mann in einer schwarzen Lederjacke auf dem Barhocker neben Magnus.
    »Margrét ist meine Mutter.«
    »Das ’s schön«, lallte der Mann. Auch er hob sein Bier. »Auf Margrét.« Er stellte sein Glas ab und wies mit dem Kinn auf das Bier vor Magnus. »Schlechter Tag?«
    Magnus nickte. »Kann man wohl sagen.«
    »Hast du auch schon mal gehört, dass Alkohol keine Probleme löst?«, sagte der Mann.
    Magnus nickte.
    »Das ’s Schwachsinn.« Lachend prostete ihm der Mann wieder zu.
    Magnus sah sich in der Kneipe um. Die Stammgäste waren von jeder Größe und Altersklasse. Sie führten unzusammenhängende Gespräche, unterbrochen von Gekicher und gequältem Lachen. Viele waren schon unsicher auf den Beinen, ihr Schulterklopfen und ihre Gesten wirkten linkisch. Am Ende der Theke saßen zwei amerikanische Mädchen im Collegealter auf Barhockern und plauderten mit mehreren redseligen Isländern. Am anderen Ende begann plötzlich ein Mann mit Schiebermütze und grauem Haar, in einem weichen Bariton eine Melodie aus Porgy and Bess zu singen: »Summertime – and the livin’ is ea-easy ...«
    Gute Sänger, diese Isländer.
    Noch ein Bier. Und einen Schnaps. Die Wut verdampfte. Lang sam entspannte sich Magnus. Er begann Gespräche mit

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