Magnus Jonson 01 - Fluch
Existenz des Rings zu erzählen. Er betonte immer wieder, wie wichtig es sei, den Ring nicht anzurühren. Das flößte mir unheimlichen Respekt ein. Großvater erklärte, wenn ich oder mein Vater den Ring finden und aus seinem Versteck holen sollten, würde ein furchtbares Übel in der ganzen Welt seinen Lauf nehmen.«
»Was für ein Übel?«, fragte Magnus.
»Keine Ahnung. Das führte er nicht näher aus. In meiner Phantasie war es eine Art Atomkrieg. Ich hatte gerade Das letzte Ufer von Nevil Shute gelesen – kennt ihr diese Geschichte über die Überlebenden eines Atomkriegs in Australien? – und eine Riesen nuskriptangstdavor. Doch schon einen Tag nach dem Tod meines Großvaters brach mein Vater auf zu einer Reise nach Þjórsárdalur, um den Ring zu suchen. Ich war stinksauer und sagte ihm, er sollte nicht gehen, doch er hörte nicht auf mich.«
»Du hast ihn nicht begleitet?«
»Nein. Ich war im Internat in Reykjavík. Aber ich wäre so oder so nicht mitgegangen. Mein Vater war eng befreundet mit dem Pastor unserer Gemeinde. Kaum war mein Großvater gestorben, erzählte mein Vater ihm von Gauks Saga und dem Ring. Auch darüber regte ich mich auf, dass er das Geheimnis jemandem verriet, der nicht zur Familie gehörte. Der Pastor war ein Fachmann für Legenden, und die beiden überlegten, wo der Ring wohl sein könnte. Sie machten sich zusammen auf die Suche.
Meiner Mutter gefiel das auch nicht. Sie fand diesen ganzen Kram mit Ísildur und Gauk und dem Zauberring sehr sonderbar. Ich glaube wirklich, dass mein Vater ihr erst etwas davon erzählte, als sie verheiratet waren und es kein Zurück mehr gab.«
Pétur lächelte. »Natürlich haben die beiden den Ring nie gefunden.«
»Glaubst du denn, dass es ihn gibt?«, fragte Árni mit großen Augen.
»Damals schon«, entgegnete Pétur. »Heute bin ich mir nicht mehr sicher.« Ein Anflug von Zorn schlich sich in seine Stimme. »Ich denke nicht mehr über den Ring oder diese dumme Saga nach. Mein verrückter Vater stieg in die Berge, als ein Schneesturm angesagt war, und fiel in die Tiefe. Das ist die Schuld von Gauk und dem Ring. Es muss ihn gar nicht geben, er kann einen trotzdem umbringen.«
»Was ist mit deiner Schwester Ingileif?«, fragte Magnus. »Seht ihr euch oft?«
»Hin und wieder. Nach dem Tod meines Vaters hatte ich nicht mehr viel mit der Familie zu tun. Man muss wohl sagen, dass ich davonlief. Ich konnte nicht damit umgehen. Dieser ganze Zinnober mit dem Ring, für mich sah es aus, als wäre Vater durch ihn umsLeben gekommen. Und ich hatte das Gefühl, dass ich Vater von der Suche nach dem Ring hätte abhalten müssen, wie mein Großvater es mir aufgetragen hatte. Natürlich hätte ich nichts ausrichten können, ich war damals erst fünfzehn, aber in dem Alter glaubt man manchmal, man hätte mehr Einfluss, als man tatsächlich besitzt. Ich brach die Oberschule ab und ging nach London. Als ich später zurückkam, traf ich mich hin und wieder mit Ingileif. Sie war sauer auf mich, weil sie fand, ich hätte unsere Mutter im Stich gelassen.« Pétur verzog das Gesicht. »Damit hat sie wohl recht.«
»Weißt du, ob sie etwas mit Agnar hatte?«
»Das bezweifle ich sehr«, sagte Pétur. »Aber es war klar, dass sie sich an ihn wenden würde, wenn sie die Saga verkaufen wollte.« Er kniff die Augen zusammen. »Ihr verdächtigt sie doch nicht etwa des Mordes an ihm, oder?«
Magnus zuckte mit den Achseln. »Wir ermitteln in alle Richtungen. Sie war nicht ganz ehrlich zu uns, als wir zum ersten Mal mit ihr sprachen.«
»Ingileif hat nur versucht, ihren Fehler zu vertuschen. Sie hätte die Saga nie zum Verkauf anbieten sollen, und das weiß sie auch. Aber Ingileif ist ein durch und durch ehrlicher Mensch. Es ist unvorstellbar, dass sie jemanden umgebracht haben soll; dazu ist sie gar nicht in der Lage. Ich mag sie wirklich sehr gern, mochte sie immer schon. Sie würde alles für ihre Freunde und ihre Familie tun. Ingileif war von uns dreien die Einzige, die unsere Mutter am Ende pflegte, als sie Krebs hatte. Ist euch bekannt, dass Ingileif Probleme mit der Galerie hat?«
Magnus nickte.
»Das ist der Grund, warum sie das Geld von der Saga braucht. Um ihre Geschäftspartnerinnen auszuzahlen. Sie gibt sich selbst die Schuld. Ich habe ihr gesagt, sie solle sich nicht zu große Vorwürfe machen, so sei das Geschäftsleben halt. Ein Unternehmen stürzt ab, man lässt es fallen, rappelt sich wieder auf und macht mit dem nächsten weiter. Aber so kann sie
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