Magnus Jonson 01 - Fluch
Polizisten.
»Ihr seid hier, weil ihr mit mir über Agnar Haraldsson reden möchtet, nehme ich an?«
»Wundert dich das?«, fragte Magnus.
»Ich habe schon längst mit euch gerechnet.«
Die Antwort enthielt einen leichten Tadel, den Vorwurf, sie seien zu langsam.
»Wir wären längst hier gewesen, wenn deine Schwester uns früher die Wahrheit gesagt hätte. Oder wenn du selbst auf uns zugekommen wärst.«
Pétur hob die hellen Augenbrauen. »Was hätte ich denn sagen sollen?«
»Du wusstest doch, dass Ingileif über Agnar versuchte, Gauks Saga zu verkaufen, oder?«
Pétur nickte. »Sehr gegen meinen Willen.«
»Hast du Agnar mal gesehen?«
»Nein. Wenigstens nicht in letzter Zeit. Als Ingileif noch studierte, könnte ich ihn schon ein paarmal getroffen haben. Aber seitdem nicht mehr. Ich habe ziemlich deutlich gemacht, dass ich mit den Verhandlungen über die Saga nichts zu tun haben möchte.«
»Aber du hast nichts gegen deinen Anteil am Verkaufserlös?«, warf Árni ein.
»Nein«, gestand Pétur schlicht und einfach. Er sah sich in seinem Nachtclub um. »Die Zeiten sind hart. Die Banken machen Schwierigkeiten. Ich hab mir auch zu viel Geld geliehen, so wie alle bei uns.«
»Ist das dein einziger Club?«
Sie befanden sich in den Tiefen des Neon auf der Austurstræti, einer kurzen Einkaufsstraße im Stadtzentrum.
»Nein«, erwiderte Pétur. »Dies ist mein dritter. Ich habe mit dem Theme auf der Laugavegur angefangen.«
»Sorry, das kenne ich nicht«, sagte Magnus. »Ich bin lange nicht in Island gewesen.«
»Ich dachte mir schon wegen deines Akzents, dass du Amerikaner bist«, sagte Pétur. »Vor einiger Zeit war es der angesagteste Laden in ganz Reykjavík. Ich habe ein paar Jahre in London am Rande der Musikszene gelebt, dort sozusagen mein Handwerk gelernt, und als Reykjavík sich zum Ibiza des Nordens mauserte, kehrte ich nach Hause zurück. Das Theme war nur ein Café, aber ich habe eine kleine Tanzfläche reingebaut und hatte einfach Glück. Es wurde der Laden, wo man hinging, und weil er so klein war, standen die Leute draußen Schlange. Es gibt nichts Schöneres als eine siebzehnjährige Isländerin in einem bauchfreien Oberteil, die um drei Uhr morgens vor dem Club im Schnee steht und zittert.«
»Was ist mit dem Club passiert?«, wollte Magnus wissen.
»Er läuft noch, aber er ist nicht mehr so beliebt wie früher. Ich hab das kommen sehen und deshalb das Soho und jetzt das Neon eröffnet.« Pétur lächelte. »Diese Stadt ist launisch. Man muss immer einen Schritt voraus sein, sonst wird man niedergetrampelt.«
Er strahlte Selbstbewusstsein aus. Er würde sich nicht niedertrampeln lassen.
»Hast du Gauks Saga mal gelesen?«, fragte Magnus.
»Ob ich sie gelesen habe? Ich glaube, ich kenne sie auswendig. Früher auf jeden Fall.«
»Deine Schwester sagt, du interessierst dich nicht dafür.«
Pétur grinste. »Heute nicht mehr, stimmt. Aber als Junge war das anders. Mein Vater und mein Großvater waren besessen davon und gaben diese Besessenheit an mich weiter. Habt ihr sie gelesen?«
Magnus und Árni nickten.
»Ich bewunderte meinen Großvater und liebte die Geschichten,die er mir von klein auf über Ísildur, Gauk und Ásgrím erzählte. Ich wurde zum künftigen Hüter der Saga erzogen, versteht ihr? Zum Hüter des Geheimnisses. Und ich habe mich nicht nur für Gauks Saga interessiert, sondern für alle Sagas.«
»Wusstest du, dass dein Großvater den Ring fand?«, fragte Magnus.
Pétur runzelte die Stirn. »Hat meine Schwester euch das er zählt? Ich wusste gar nicht, dass ihr das bekannt war.«
Magnus nickte. »Sie hat einen Brief von Tolkien an deinen Großvater Högni ausgegraben, in dem steht, dass Högni den Ring gefunden hätte.«
»Und ihn zurücklegte«, ergänzte Pétur. »Er hat ihn wieder zurückgebracht.«
»Ja, das stand auch in dem Brief.« Magnus beobachtete Pétur. Es bestand kein Zweifel, dass die Erwähnung des Rings ihn beunruhigte. »Warum bist du denn heute nicht mehr so von der Saga gefesselt?«
Pétur holte tief Luft. »Kurz vor dem Tod meines Vaters stritten wir uns über die Saga beziehungsweise über den Ring. Versteht ihr, mein Großvater vertraute meinem Vater nicht mehr, weil er Gauks Saga der ganzen Familie gezeigt hatte. Das hätte er nicht tun sollen, ich als ältester Sohn war der Einzige, der sie hätte sehen dürfen.«
Ein Anflug von Verbitterung lag in Péturs Stimme. »So beschloss Großvater ein paar Monate vor seinem Tod, mir von der
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