Magnus Jonson 02 - Wut
trockenen Humor. Andererseits gab er manchmal die unglaublichsten Dummheiten von sich. »So ungefähr, Árni.«
»Hab gehört, dein Kurs soll richtig gut sein. Es gibt sogar eine Warteliste von Leuten, die rein wollen. Wusstest du das?«
»Was ist mit dir?«
»Ich stehe auch auf der Liste.«
Magnus hielt an der Nationalen Polizeiakademie einen Kurs über Kriminalität in amerikanischen Großstädten. Das Unterrichten machte ihm Spaß; er hatte es noch nie zuvor getan, doch es stellte sich heraus, dass er gut darin war.
Er war zur isländischen Polizei auf Bitten des Nationalen Polizeichefs abkommandiert worden, der sich Sorgen machte, sein kleines Land könnte zunehmend von typischer Großstadtkriminalität heimgesucht werden. Nicht dass Verbrechen in Island unbekannt waren. Es gab jede Menge Drogen, und freitags und samstags abends landeten regelmäßig Horden von Betrunkenen in den Zellen des Polizeipräsidiums. Dazu hatte es im Lauf des Winters die Demonstrationen vor dem Parlamentsgebäude gegeben, die zum Rücktritt der Regierung führten und die Polizeikräfte bis an ihre Leistungsgrenze beanspruchten.
Der Polizeichef befürchtete, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Sorte von Verbrechen in Reykjavík Einzug hielt, die sich bisher auf Amsterdam, Kopenhagen oder Boston konzentrierte: ausländische Drogenbanden, Stichwaffen, vielleicht sogar Schusswaffen. Und er wollte, dass seine Leute darauf vorbereitet waren. Daher seine Bitte um einen amerikanischen Polizeibeamten mit praktischer Erfahrung, der Isländisch sprach.
Davon gab es nicht gerade viele in den Polizeieinheiten der amerikanischen Großstädte. Die Beschreibung passte allerdings genau auf Magnus, der im Alter von zwölf Jahren mit seinem Vater von Island in die Vereinigten Staaten gezogen war. Nachdem er
schließlich als Zeuge in einem Polizeikorruptionsskandal angeschossen worden war, hatte man ihn sowohl zu seiner eigenen Sicherheit als auch aufgrund seiner Eignung nach Reykjavík geschickt.
»Und, was läuft so in der Abteilung?«, fragte er Árni.
»Wir haben einen Vogeldiebstahl.«
»Einen Vogeldiebstahl?«
»Es werden exotische Vögel gestohlen. Hauptsächlich Papageien und Wellensittiche. Es gibt kaum noch welche in Reykjavík. Ist ein großes Problem. Dieser Mann – wir glauben nicht, dass es sich um eine Frau handelt – ist wirklich geschickt.«
»Ich dachte, du wärst zuständig für Gewaltverbrechen?«
»Man ist da, wo man gebraucht wird. In den letzten sechs Monaten hat sich die Anzahl der Einbrüche verdoppelt, trotzdem mussten zwanzig Uniformierte vorübergehend freigestellt werden. Die kreppa . Du weißt, wovon ich spreche, du siehst ja selbst die Kürzungen an der Akademie.« Kreppa war das isländische Wort für die Finanzkrise und momentan das vorherrschende Gesprächsthema in der Bevölkerung.
»Schon irgendwelche Anhaltspunkte?«
»Ein paar. Nicht genug. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir den Fall bis Ende der Woche geknackt haben. Wann kommst du wieder zu uns? Wir könnten dein Fachwissen gut gebrauchen.«
»Zwei Monate noch, glaube ich«, sagte Magnus seufzend. Der Polizeichef hatte darauf bestanden, dass Magnus sechs Monate des einjährigen Grundausbildungslehrgangs an der Polizeiakademie absolvierte, bevor er einen Dienstausweis bekam. Zähneknirschend hatte Magnus zugestimmt. Das Argument des Polizeichefs, man könne das Gesetz nicht vertreten, wenn man es nicht genau kenne, war schwer zu widerlegen.
Daher hatte Magnus den Großteil der vergangenen vier Monate als Student und einen kleinen Teil als Lehrer verbracht. Das Unterrichten war ihm lieber.
Die Düsen begannen zu brodeln. Árni schloss die Augen und
lehnte sich zurück. Magnus nutzte die Gelegenheit und musterte die Narbe auf Árnis Brust. Der Chirurg am Nationalkrankenhaus hatte ihn wieder gut zusammengeflickt. Magnus hatte schon viele genähte Schusswunden gesehen, die einen deutlich schlechteren Eindruck machten.
Direkt nach seiner Ankunft in Island vor vier Monaten hatte Magnus mit Árni an einem Fall gearbeitet. Árni genoss nicht gerade den Ruf, der beste Kriminalbeamte von Reykjavík zu sein, manche behaupteten sogar, er habe die Stelle nur bekommen, weil sein Onkel, Chief Superintendent Þorkell Holm, Leiter der Mordkommission war. Es gab Zeiten, da kostete der Junge Magnus eine Menge Nerven, doch er mochte Árni und bewunderte seine Loyalität.
Und er würde nie vergessen, dass Árni sich zwischen ihn und eine Kugel geworfen
Weitere Kostenlose Bücher