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Magnus Jonson 02 - Wut

Magnus Jonson 02 - Wut

Titel: Magnus Jonson 02 - Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Sie hatte das Gefühl, die anderen würden sie anstarren, und wich den Blicken aus, schaute in ihr Brandyglas und ließ ihre dunklen Locken ins Gesicht fallen, um ihre Augen dahinter zu verbergen.
    Es herrschte Schweigen. Björn hustete. Ihre Blicke trafen sich.
    Sie musste zu dem stehen, was sie war. Was sie und Menschen wie sie getan hatten. Dass auch sie benutzt worden war.
    »Ich war bei einer Bank. Bis vor zwei Monaten habe ich bei der Ódinsbanki gearbeitet, dann wurde ich von meinem Freund gefeuert. Irgendwie ist es mir nie so recht gelungen, so viel Geld in die Hände zu bekommen wie die anderen. Und was ich besaß, war in Anteilen der Ódinsbanki festgelegt, die jetzt wertlos sind.«
    »Hast du es denn nicht kommen sehen?«, fragte Ísak.
    »Nein. Habe ich nicht«, sagte Harpa. »Ich habe den ganzen Mist geglaubt. Dass wir alle Finanzgenies wären – jünger, schneller und schlauer als die anderen. Dass wir die Wikinger des einundzwanzigsten Jahrhunderts wären. Dass wir kalkulierte Risiken eingingen
und dafür belohnt würden. Dass der Wohlstand bleiben würde. Dass es erst der Beginn eines Booms wäre, nicht das Ende.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe mich geirrt. Es tut mir leid.«
    Eine Zeitlang sagte niemand etwas.
    »Der Kapitalismus trägt den Samen seiner eigenen Zerstörung in sich«, erklärte Ísak. »Das ist heute so wahr wie vor hundertfünfzig Jahren, als Marx das postulierte. Darüber hast du ja auch geschrieben, Sindri.«
    Sindri nickte, sichtlich erfreut über den Hinweis auf sein Buch. »Immerhin haben wir eine Entschuldigung gehört.«
    »Wir sind alle verarscht worden«, sagte Björn. »Jeder von uns.«
    »Können wir nicht irgendwas tun?«, fragte Frikki. »Manchmal würde ich diesen Typen einfach gern die Seele aus dem Leib prügeln.«
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte Björn. »Die Politiker werden jedenfalls nichts unternehmen. Oder will Ólaf Tómasson wirklich seine besten Freunde hinter Schloss und Riegel bringen? Es wurden Sonderstaatsanwälte berufen, aber die werden die Banker niemals in die Finger bekommen. Die sind alle verschwunden, machen einfach in London oder New York weiter. Und wollen unser Geld, um ihren Saustall auszumisten.«
    »Das stimmt«, sagte Harpa. »Óskar Gunnarson ist der Vorstandsvorsitzende meiner Bank. Er drückt sich die ganze Zeit in London herum. In den letzten drei Monaten hat man ihn in Reykjavík nicht mehr gesehen. Aber ein paar von den anderen sind noch da. Ich weiß, dass sie immer noch Geld versteckt haben.«
    »Wer zum Beispiel?«, fragte Ísak.
    »Beispielsweise Gabríel Örn Bergsson, mein ehemaliger Chef. Als er mich ermutigte, einen Kredit bei der Ódinsbanki aufzunehmen, um von dem Geld Bankanteile zu kaufen und so den Wert der Bank an der Börse zu stützen, stieß er selbst diese Aktien ab. Wenn er Firmen in England faule Kredite andrehte, musste ich dafür den Kopf hinhalten, obwohl ich ihm von dem Geschäft abgeraten hatte. Und als die Bank verstaatlicht wurde und die alte
Anweisung wieder in Kraft trat, Beziehungen am Arbeitsplatz seien untersagt, war ich diejenige, die gehen musste.«
    »Klingt so, als wär er ein richtig netter Kerl«, sagte Björn.
    Harpa schüttelte den Kopf. »Der war nie ein netter Kerl. Er war unterhaltsam. Erfolgreich. Aber immer schon ein Schwein.«
    »Und, wo ist er jetzt?«, fragte Ísak.
    »In diesem Moment, meinst du?«, fragte Harpa zurück.
    Ísak nickte.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Harpa. »Es ist Dienstagabend. Er müsste zu Hause sein – ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht auf der Demo war. Er wohnt in einem Apartment in Skuggahverfi, direkt um die Ecke.«
    »Meinst du, er weiß, wo das Geld ist?«
    »Kann sein«, sagte Harpa. »Schon möglich.«
    »Warum fragen wir ihn nicht?«, schlug Ísak vor.
    Sindri grinste. Die geschwollene Haut um seine Augen legte sich in Falten. »Genau. Holen wir ihn her. Soll er uns verraten, wo dieses Diebesgesindel unser Geld versteckt hat. Und dann kann er ja mal erklären, warum er dich so behandelt hat. Warum er uns alle so behandelt hat.«
    »Genau! Und ich schlag ihm die Fresse ein«, lallte Frikki.
    Zuerst wollte Harpa sich weigern. Als ob Gabríel einer Horde betrunkener Fremder jemals das komplizierte Netz von Gesellschafterdarlehen erläutern würde, das die Ódinsbanki aufgebaut hatte. Selbst wenn er es täte – es würde keiner verstehen. Andererseits … Warum sollte Gabríel nicht die Menschen kennenlernen, die er beschissen hatte? Warum

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