Magnus Jonson 02 - Wut
keine so gute Idee gewesen, mit Zak zusammenzuziehen. Er hatte keine Probleme mit dem Studium, er war sehr klug und besaß eine natürliche Begabung für Politik, besonders für die alten marxistischen Theoretiker, die langsam außer Mode kamen. Zaks Tutoren waren von ihm begeistert, er erinnerte sie an die gute alte Zeit, als das LSE noch ein Hort radikaler Politik war, nicht die Zugangsberechtigung zum Investmentbanking. Zak hatte eine eiserne Disziplin, Sophie hingegen hing gern mit ihm herum und verbummelte ihre Zeit.
Sie wunderte sich, was die Polizei von ihm wollte. Als sie ihn danach gefragt hatte, war er ihr ausgewichen. Aber sie meinte zu wissen, worum es ging: Zak dealte in geringem Ausmaß, versorgte seine Freunde mit Drogen, was ihm ein besseres Auskommen bescherte. Nach dem Kreditengpass im vergangenen Jahr waren die Stipendien und Darlehen der isländischen Regierung längst nicht mehr so hoch wie früher.
Als die Polizeibeamtin gegangen war, hatte Zak angespannt gewirkt. Sophie sollte den Mitbewohnern wohl besser von dem Besuch erzählen, dann konnten sie sicherstellen, dass sich nichts Belastendes im Haus befand, falls die Bullen beschlossen, zurückzukommen und die Zimmer zu durchsuchen.
Jetzt aber an die Arbeit! Erfüllt von neuer Entschlossenheit, steuerte Sophie auf die Haustür zu, die genau in dem Moment geöffnet wurde.
»Zak! Was willst du denn hier?«
Er wirkte besorgt. »Ich dachte, du wolltest in die Bibliothek«, sagte er.
»Will ich auch. Was ist passiert?«
Er schob sich an ihr vorbei, wollte zu seinem Zimmer hoch. »Es geht um meine Mutter. Ich habe gerade einen Anruf von meinem Vater bekommen. Es geht ihr schlechter.«
»O nein!«, rief Sophie und folgte ihm. Sie kannte die Geschichte vom Krebs seiner Mutter. »Das tut mir so leid.«
»Ich fliege nach Island«, sagte Zak und holte eine Tasche aus seinem Schrank.
»Wann? Jetzt?«
»Ja. Wenn ich mich beeile, bekomme ich vielleicht heute noch einen Flug.«
»Ist es so schlimm? Ich meine, ist es schon …« Sophie konnte sich nicht überwinden weiterzusprechen. Lag Zaks Mutter wirklich im Sterben?
»Ich weiß es nicht, Soph, wirklich nicht. Könnte schon so weit sein. Ich muss nach Hause.«
Er wandte den Blick ab.
»Komm mal her!«, sagte Sophie und streckte die Arme aus. Er ignorierte sie. »Komm her!«
Langsam und widerwillig erhob er sich und ließ sich von ihr umarmen. Sophie war ein wenig beleidigt, als er sie von sich schob. Manchmal baute er eine Mauer um sich auf, das gefiel ihr nicht. Aber woher sollte Sophie auch wissen, wie es war, wenn die eigene Mutter starb?
Sie schaute ihm beim Packen zu. Das Schweigen war unangenehm. Sophie merkte, dass er nicht über seine Mutter sprechen wollte. »Angeblich hat Lister noch eine Chance, es zu schaffen«, bemerkte sie. »Habe ich gerade im Radio gehört.«
»Schade«, sagte Zak.
»Das meinst du doch nicht ernst!«, rief Sophie bestürzt. »Ich weiß ja, dass er euch eine Horde Terroristen genannt hat, aber er ist doch kein schlechter Mensch!«
»Sagst du«, gab Zak zurück. »Er hat ein ganzes Land in den Bankrott gestürzt, das vielleicht anderer Meinung ist.«
Sophie holte tief Luft. So angespannt hatte sie Zak noch nie erlebt. Sie wollte ihn so gern trösten.
Der Besuch der Polizeibeamtin machte ihr Sorgen. Sie überlegte, ob sie Zak noch mal danach fragen sollte, verwarf die Idee jedoch. Es würde ihn nur noch mehr aufregen. Hilflos sah sie zu, wie er zu Ende packte. Er war schnell. Sophie spürte, dass sie von einer irrationalen Angst überwältigt wurde, so als würde er sie für immer verlassen.
»Wie lange bleibst du weg?«, fragte sie.
»Weiß nicht. Kann ich erst sagen, wenn ich sehe, wie schlecht es ihr wirklich geht.«
»Na, dann melde dich einfach, wenn du da bist. Hast du an der Uni Bescheid gesagt?«
»Ach, das mache ich später. Könntest du mich vielleicht bei McGregor entschuldigen? Ich melde mich in den nächsten ein, zwei Tagen noch selbst bei ihm.«
Dr. McGregor war der Dekan der Fakultät für Politikwissenschaft.
»Ja. Klar.«
Zehn Minuten später war Zak fort. Sophie saß am Küchentisch und brach in Tränen aus.
24
Dísa schickte Harpa nach Hause. Die frische Luft kräftigte sie, als sie am Ufer der Bucht entlangeilte. Rechts von ihr zog eine kleine dunkle Wolke über die Hallgrímskirkja und entlud ihren Inhalt über dem Stadtzentrum. Der Ostwind blies den Regen in Richtung Seltjarnarnes.
Harpa überlegte, was sie Björn sagen
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