Magyria 01 - Das Herz des Schattens
Kunun. Irgendwo darin war das Licht, fähig, die Dunkelheit in die letzten Winkel zu jagen und sämtliche Schatten zu verbrennen. Da war es, so dicht hinter dem Steingrau seiner Augen, als würde es gleich herauskommen und sie blenden, als würde irgendwo in ihm eine Sonne strahlen, unauslöschlich. Selbst die Nacht, dachte Hanna, kann die Sonne nicht töten. Der Morgen wird kommen, immer …
» Jetzt«, sagte Mattim, »gehen wir ihnen nach, ohne dass sie uns sehen.«
Réka hatte sich bei Kunun eingehakt und schwenkte die Tüte beim Gehen hin und her. Von weitem wirkte sie fröhlich und gelöst. Die beiden gingen die Váci utca hinunter und bogen in die Régi posta utca ein, am Mariott Hotel vorbei. Unter den Bäumen setzten sie sich auf eine der Bänke, die das verschnörkelte Aussehen von Gartenstühlen besaßen und von denen aus man gemütlich stundenlang die Donau und das Budaer Ufer hätte betrachten können, wenn es nicht so eisig kalt gewesen wäre.
Sie fragt ihn tatsächlich, dachte Hanna aufgeregt, sie tut es! » Hoffentlich wählt sie die Worte geschickt«, flüsterte sie atemlos.
» Kunun hat das Bedürfnis, darüber zu reden«, sagte Mattim. »Sie muss ihm nur den Anstoß dazu geben.«
»Meinst du wirklich? Mir scheint, er ist mit seinen ganzen Geheimnissen sehr zufrieden.«
»Das täuscht«, erklärte er, so wie er es schon einmal getan hatte, als sie ihren Plan besprochen hatten. »Mein Bruder muss es irgendjemandem sagen. Er lebt davon, dass man zu ihm aufblickt.«
»Deshalb wird er ihr verraten, wie man ihn schlagen könnte?«
Mattim strich Hanna das Haar aus der Stirn und küsste sie auf die Augen.
»Lass doch, ich muss beobachten, was sie tun!«
Sie sah gerade noch, wie Réka aufsprang. Wie Kunun sie an den Schultern packte. Irgendetwas stimmte da nicht.
Mattim stürzte los, Hanna ihm nach.
Die Meter, die sie von den beiden trennten, schienen ihr endlos lang. Mattim erreichte das Paar als Erster und fiel Kunun in den Arm.
»Lass sie los! Lass sie!«
Der Ältere stieß ihn so heftig zurück, dass der Prinz mehrere Schritte rückwärts taumelte. Réka schrie ängstlich auf, doch da war Hanna auch schon bei ihr und legte den Arm um sie.
»Komm, ich bringe dich nach Hause.«
»Was soll das?« Réka starrte mit zitternden Lippen auf Kunun.
»Ihr bleibt hier«, befahl der Vampir scharf. Er wandte sich an Mattim, der vorsichtig in Angriffsstellung näher kam. »Das hab ich mir gleich gedacht, dass diese ganzen Fragen von dir stammen. Was hast du jetzt vor? Willst du verhindern, dass ich sie beiße?« Er griff nach Rékas Hand und zog sie wieder näher zu sich heran. »Hast du wirklich gedacht, das lasse ich mir bieten?«
»Beißen?«, fragte Réka verwirrt.
Hanna ließ ihren Arm nicht los. »Komm nach Hause, bitte, komm!«
»Ich dachte, du hättest etwas gelernt«, sagte Kunun zu seinem Bruder, heiser vor Wut. »Kann jemand wirklich so dumm sein?«
»Lass Réka gehen«, forderte Mattim und hielt Kununs vernichtendem schwarzem Blick stand.
»Meine liebe Réka«, fuhr der Vampir fort und schenkte dem Mädchen ein warmes Lächeln, bei dem Réka sich wieder entspannte. Sie schüttelte Hannas Hand ab. »Lass dich
nie wieder zum Werkzeug machen. Frag mich nicht aus. Hast du das verstanden?«
Réka nickte, ihre Augen hingen an ihm, gebannt. Kunun legte die Arme um ihre Schultern und presste sie eng an sich.
»Strafe muss natürlich sein«, redete er weiter. »Wessen Idee war das?« Er sah von Mattim zu Hanna und wieder zurück.
»Meine«, sagte der junge Prinz und senkte den Kopf.
»Natürlich war es deine Idee.« Kunun ließ Réka so plötzlich los, dass sie zur Seite taumelte, und packte Mattim am Kragen. »Was soll ich mit dir tun, kleiner Bruder?«
»Lass mich gehen«, ächzte der Jüngere.
»Erst soll ich Réka gehen lassen und jetzt dich? Könntest du dich bitte mal entscheiden?«
Er wandte sich zu Hanna um, die gerade Rékas Hand ergriffen hatte. »Weg da! Auch du fürchtest dich noch viel zu wenig. Hast du nicht schon genug gesehen? Muss ich noch deutlicher werden?«
»Komm, Réka«, flehte Hanna. »Hast du nicht gehört? Er will dich beißen, und er meint es ernst. Bitte komm!«
»Was?« Das Mädchen schaute verwirrt von einem zum anderen.
»Heute Abend, Mattim«, sagte Kunun. »Am Baross tér. Dort wirst du deine Strafe empfangen.«
»Er wird nicht kommen!«, rief Hanna. »Was glaubst du, wer du bist? Lass ihn endlich in Ruhe!«
»Oh, er wird«, widersprach der
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