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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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oder Mirita.
    Mattim blickte sich nicht zu der Bogenschützin um, doch er wusste, dass sie angstvoll zusah bei dem, was er tat. Der falsche Geschmack, der falsche Geruch. Donau. Donua. Ein Fluss, getränkt von Licht … Ein Bett aus Licht, das aus dem tiefsten Grund nach oben perlte. Spring, kleiner Bruder, und fürchte dich nicht … Nein, er wagte es nicht. Rasch ging er wieder die Böschung hinauf, in seinem Herzen dumpfe Ratlosigkeit.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich wage es nicht … Vielleicht wird der Donua die Schatten verschlingen. Er ist stark, viel stärker, als Kunun glaubt. Es ist ein anderer Fluss. Die Donau ist wie ein Bild in einem Spiegel, wie ein Traum, ein lachendes Mädchen … aber dies hier ist der König des Lichts.« Er hob den Blick. »Ich habe keine Ahnung, was geschehen wird. Dennoch müssen wir bereit sein zu handeln. Bitte bring meine Mutter her.«
    Mirita stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss. Klein und hauchzart, wie die sanfte Berührung einer Vogelfeder. Dann eilte sie zum Ufer hinunter, und er sah ihre kleine dunkle Gestalt über das Weiß marschieren, schnell und zielstrebig. Er blickte ihr nach, solange er konnte, dann kehrte er in den Schutz der Bäume zurück. Hinter sich hörte er die Flusshüter rufen. Dann die besänftigende Stimme des Anführers: »Macht euch keine Sorgen. Entweder haben wir sie verloren oder auch nicht.«

VIERUNDDREISSIG
    BUDAPEST, UNGARN
    Hanna streckte die Beine aus, bis ihre Zehen die Sofalehne berührten. Sie gähnte, aber nichts in der Welt hätte sie dazu bringen können, jetzt einzuschlafen. Ein paar Mal hatte sie vorsichtig die Tür geöffnet und in den Hof hinausgeblickt, über die dunkelblauen Gitter hinweg in die unteren Stockwerke, auf die vielen weißen Türen. Was auch immer die Schatten nachts in Budapest trieben, es sich zu Hause vor dem Fernseher gemütlich zu machen, gehörte offensichtlich nicht dazu. Die meisten waren, soweit sie es einschätzen konnte, nicht im Haus. Niemandem war es aufgefallen, dass Mattim nicht da war, und wenn er zurückkam, würde auch keiner merken, dass er den Fahrstuhl benutzt hatte. Doch sie wartete vergeblich auf das Klingeln ihres Handys. Ihr Freund ließ sich Zeit. Wenn sie nur gewusst hätte, was er in Magyria tat, ob seine Mutter ihm zuhörte oder ob sie ihn als einen gefährlichen Schatten jagten!
    Hanna rückte das Sofakissen unter ihrem Kopf zurecht und schloss die Augen. Ihr ganzer Körper war vor Anspannung verkrampft, und es bedurfte einer solchen Anstrengung, sich Mattim nicht in den Händen Fackeln schwingender Soldaten vorzustellen, dass sie zitterte. An Mónika durfte sie auch nicht denken.
    »Wir sind wirklich enttäuscht von dir«, hatte ihre Gastmutter gesagt. »Es wird das Beste sein, wenn du deine Sachen packst und gehst. Morgen ist Rékas Geburtstag, da soll es keine Abschiedstränen geben, aber danach will ich dich hier nicht mehr sehen.«

    Bevor Hanna hergekommen war, hatte sie eingekauft und den Wintergarten mit Luftschlangen und Lampions geschmückt. Während das Mädchen mit einem Dutzend Freundinnen feierte, würde sie ihre Koffer packen. Sie wollte nicht daran denken, wie es sich wohl anfühlte, sich von Attila und Réka zu verabschieden. Und daran, was sie dann tun würde. Zurück nach Deutschland gehen? Oder bei Mattim bleiben, hier, im Haus der Vampire? Der Prinz des Lichts würde sicher, wenn die Schlacht geschlagen war, nach Akink zurückgehen. Er hatte es zwar nie ausgesprochen, nicht einmal angedeutet, aber was wollte er hier, wenn die anderen Schatten alle fort waren, in einer fremden Welt, in der er nicht leben und nicht sterben konnte?
    Sie schrak hoch. Ein Geräusch. Einen Moment lang saß sie aufrecht auf dem Sofa und versuchte, sich zu orientieren. Anscheinend war sie doch eingenickt. Die Tür. Hatte jemand geklopft? Mattim! Er war zurück, er hatte es einfach gewagt, mit dem Fahrstuhl nach oben zu fahren, ohne sie anzurufen! Oder hatte er es versucht, und sie hatte nichts gehört, weil sie geschlafen hatte?
    Schlaftrunken öffnete sie. Da erst fiel ihr ein, dass die Tür gar nicht abgeschlossen werden konnte, dass Mattim gar keinen Schlüssel besaß, den er hätte vergessen können. Dass in einem Haus voller Schatten, die durch Wände gehen konnten, Schlösser so sinnlos waren wie jeder andere Versuch, sich zu verstecken.
    Niemand konnte sich vor Kunun verbergen. Da stand der Vampir, ohne zu lächeln, ohne zu grüßen. Beim Eintreten schob er

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