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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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hielt stand. Und er sprach die Wahrheit aus, eine Wahrheit, so stark und unerschütterlich, dass sie sich wie ein Schutzmantel um die Lügen legte: »Ich will Akink. Ich muss zurück. Dieselbe Sehnsucht, die in dir brennt, ist auch in mir. Ich kann das nicht aufgeben, selbst wenn ich wollte.«
    Plötzlich lächelte Kunun. »Mein Bruder«, sagte er. »Steh endlich auf. Du wirst mir also Hanna geben? Und alles andere auch?«
    »Natürlich«, sagte Mattim und fühlte, wie der Blick der schwarzen Augen sich in seinen bohrte, ähnlich einer sengenden Flamme, die alles Unechte verbrannte. Er zögerte noch einen winzigen Moment, fast zu lange, dann sprach er es endlich aus. »Réka lebt.«
    »Das hast du also bemerkt.« Kunun nickte. »Und du hast deine Entscheidung getroffen. Ich habe darauf gewartet, dass du versuchst, mir einen unverfänglichen Vorschlag zu machen. Etwa sie vor ihrem Elternhaus abzulegen. Oder irgendwo, wo man sie mit Sicherheit schnell findet. Aber das hast du nicht getan.«
    »Nein«, sagte Mattim. »Das habe ich nicht.« Er atmete
nicht. Fast wurde ihm schwindlig dabei. Denn genau das hatte er ursprünglich vorgehabt, seit er sich neben das Mädchen gekniet und dabei gemerkt hatte, dass es noch lebte. Wenn Kunun es nicht wusste! Wenn es ihm nur irgendwie gelang, sie zu retten! Selbst als er sein Wissen aussprach, war er nicht sicher gewesen, ob es nicht doch irgendwie möglich gewesen wäre, seinen Bruder zu einer Tat zu verleiten, die Rékas Leben retten konnte.
    »Weil du wusstest, dass ich es wusste?«
    »Sie muss sterben«, sagte Mattim leise, »allerdings nicht hier. Sondern in Magyria, am Fluss. Erst in dem Moment wird das Blut seine volle Wirkung entfalten.« Diesmal konnte er den Schattenprinzen nicht ansehen. Er drehte sich um und starrte auf das blasse, wie leblos daliegende Mädchen vor dem Kamin. Alles in ihm krampfte sich zusammen, und nur mit Mühe hielt er es aus, nichts zu tun. Sich nicht auf Kunun zu stürzen, schreiend, so laut, dass man ihn bis auf die Straße hören konnte. Die Gegenwart seines Bruders war eine Folter, der er nicht entkommen konnte. Er hielt still und wartete.
    »Nimm sie hoch«, sagte Kunun. »Dann fahren wir jetzt zu meiner Pforte. Sag Hanna nichts. Lass sie ruhig in dem Glauben, dass alles verloren ist. Es stirbt sich leichter, wenn andere einem vorausgehen.«
    Mattim bückte sich und hob Réka auf. Wie ein schlafendes Kind hing sie in seinen Armen, federleicht. Ihr Haar fiel zurück und entblößte ihr Gesicht, klein und hell wie ein erfrorener Engel.
     
    Im Garten konnte man sehen, womit Mattim sich so lange aufgehalten hatte. Atschoreks Büsche waren zerdrückt, der Rasen zertrampelt. Die Schatten, die ihnen entgegenblickten, waren dermaßen zugerichtet, dass man Mitleid mit ihnen haben konnte. Kunun hob leicht die Brauen, sagte jedoch nichts.

    »Du hättest auch einfach warten können«, meinte Atschorek säuerlich, als die beiden Brüder aufrecht und nebeneinander aus dem Haus kamen. Sie fragte nicht, womit Mattim Kunun von seiner Treue überzeugt hatte. »Sie wollten dir nur mitteilen, dass Kunun nicht gestört werden sollte. Musstest du denn unbedingt auf diese Weise durchs Fenster? Die schöne Jacke kannst du wegwerfen. Außerdem hast du einen Splitter am Hinterkopf. Du musst ja nicht unbedingt wie ein Toter durch die Gegend rennen!« Sie streckte die Hand aus und entfernte ein großes Stück Glas aus seinem Nacken.
    »Dann fahren wir jetzt«, bestimmte der Ältere. »Kommt. Atschorek, hast du den anderen Schatten Bescheid gegeben?«
    »Sie warten schon«, sagte die Vampirin. Sie warf einen Blick auf Rékas zerbrechliche Gestalt und verzog das Gesicht. »Du willst sie doch nicht etwa mitschleppen? Bis nach Magyria?«
    »Natürlich«, erwiderte Kunun scharf. »Ich will mir die Möglichkeit offenlassen, jederzeit nach Budapest zurückzukehren, wann immer mir danach ist, ohne dass ich polizeilich gesucht werde.«
    Atschorek nickte. Sie legte ihre Hand auf Hannas Schulter. »Dann komm. Komm, meine Liebe. Willst du es nicht sehen, das Land unter der ewigen Dämmerung, das Land, aus dem die Traumwölfe stammen?«
     
    Kunun parkte direkt vor seinem Haus. Mattim war es egal, dass einige Passanten zu ihnen herüberstarrten. Wie ein krankes Kind, so trug er Réka. Ein schlafendes Kind, krank, als würde er sie nach Hause bringen. Unter den starrenden Löwen hindurch.
    »Ist es dir egal, wann sie stirbt?«, fragte er. »Ansonsten würde ich ihr schnell eine

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