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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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die ersten Tropfen rannen ihr über die Wangen.
    »Weine nicht«, sagte er leise. »Tu ihnen nicht den Gefallen. Es ist noch nicht vorüber.«
    »Es ist nicht vorüber? Mattim, Réka ist tot!«
    »Nein. Nein, Hanna, das ist sie nicht. Réka lebt«, sagte er und hielt ihre heftige Bewegung mit seinem festen Griff im Zaum. »Zeig ihnen nicht, worüber wir sprechen. Lass sie denken, dass ich gerade dabei bin, dich zu überreden. Mich von dir zu verabschieden. Réka lebt. Sie ist nur bewusstlos geworden, als sie auf einen Schlag so viel Blut verloren hat. Wir haben nicht viel Zeit. Das Mädchen kann jederzeit sterben. Sie kann sich allerdings immer noch erholen - wenn wir verhindern, dass Kunun sie tötet.«
    Sie schaute ihn an, und in ihren Augen sah er die Hoffnung aufflammen, stark und mächtig, eine Hoffnung, die dazu fähig war, selbst den Tod zu besiegen.

    »Liebste«, sagte er leise in ihr Ohr. »Kunun glaubt, dass ich auf seiner Seite stehe. Wenn er das lange genug annimmt, haben wir eine Chance. Dann und nur dann. Wir können ihn besiegen, wenn er bis zum Schluss glaubt, dass der Sieg ihm gehört. Aber dafür brauche ich dein Blut. Ich brauche dich und deinen ganzen Mut. Bist du bereit?«
    In der Hand drehte er das kleine silberne Röhrchen. Jetzt erst merkte sie, dass es eine Kanüle war. Ihre Augen weiteten sich, doch sie nickte. »Ja«, flüsterte sie, »ja, Mattim, ich bin bereit.«
    Der Prinz setzte sich in den Schnee und zog Hanna zu sich herunter. Er hielt sie im Arm, so wie Kunun Réka festgehalten hatte, eng und innig, dann küsste er sie auf die kalten Lippen.
    »Du darfst nicht sterben«, flüsterte er. »Und Réka auch nicht. Ich sage dir nicht, rette dein Leben und lass Réka zurück. Ich wünschte, ich könnte es dir sagen, aber dazu kenne ich dich zu gut, du würdest es ohnehin nicht tun. Solange Hoffnung besteht … Heute sterben wir alle drei oder keiner von uns.«
    Hanna starrte ihn an, immer noch ungläubig, als würde er eine fremde Sprache sprechen, die Sprache der Hoffnung. »Was hast du vor, Mattim?«
    Er küsste sie sanft auf die Wange. »Ich werde nach Akink gehen. Dafür brauche ich dein Blut, vielleicht mehr, als ich jemals gebraucht habe. Ich benötige es, damit Kunun mir vertraut. Sollte ich mich irren und sollte das, was ich vorhabe, nicht gelingen, so gebe ich ihm damit den Schlüssel zu Akink in die Hände. Wenn der Fluss ihn hinüberlässt …«
    Er nahm den Krug und füllte Schnee hinein. Erst eine Handvoll, dann eine zweite, dann noch eine und drückte die Masse fest.
    »Ich gehe zu meinem Vater«, sagte Mattim. »Er ist der König des Lichts, es liegt in seinen Händen. Dies ist sein
Krieg, und wenn die Sache gelingen soll, muss es sein Sieg werden. Ich muss sie beide überlisten, Kunun und meinen Vater. Ein Spiel, Hanna … Ich wüsste nicht, wann der Einsatz jemals so hoch gewesen wäre. Und nun muss ich dich setzen.«
    Hanna starrte auf das spitze Ding in seiner Hand, scharf und furchteinflößend. »Das wirst du mir doch nicht ins Herz stoßen?«
    »Wir müssen nur so tun als ob. Durch das Schneetreiben können sie uns nicht gut erkennen.« Er küsste sie auf die Stirn. »Gib mir deinen Arm. Ich werde diese Ader hier nehmen, die man gut sehen kann … Der Krug muss voll wirken. Ich habe schon ein wenig Schnee hineingetan, aber er muss randvoll sein. Tut es weh?«
    »Ich habe gar nichts gemerkt.« Sie schaute nur Mattim an. Sie wollte nicht beobachten, wie ihr Blut in den Krug floss. »Soll ich tun, als wäre ich tot? Ich weiß nicht, wie lange ich es aushalten kann, im Schnee zu liegen.«
    »Nur eine kleine Weile. Danach läufst du mit Réka zurück zur Höhle. Denk daran, zurück zur Höhle.«
    Sie nickte. »Ja.«
    »Bist du bereit?«
    Er küsste sie. Vielleicht ist dies das Ende , dachte er. Vielleicht geschieht jetzt alles zum letzten Mal. Der letzte Kuss. Das letzte Mal, dass ich Hanna in den Armen halte. Dass ich sie in den Schnee lege, hier am Ufer des Donua. Dass ich zurück zu Kunun und Atschorek gehe, den gefüllten Krug in den Händen, und vor ihren Augen daraus trinke.
     
    Kunun tauchte den Finger in die dunkel schimmernde Flüssigkeit.
    »Ja«, bestätigte er, »das ist Hannas Blut. Würzig und sommerlich, Licht und Leben, das uns hinübertragen wird.«
    »Ach, Mattim«, sagte Atschorek und legte ihm die Hand auf die Schulter, »wie leid mir das tut.«

    »Bring sie her«, befahl Kunun. »Leg sie dort neben Réka. Wir werden sie beide zusammen

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