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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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haben, um dich zu fassen zu kriegen,
und dich dann einfach hier zurücklassen, allein und ungeschützt, ohne sich auf dich zu stürzen.«
    Kunun will, dass ich zu ihm komme , dachte Mattim. Freiwillig. Dass ich komme, wenn er mich ruft. Nur deshalb bin ich noch am Leben.
    »Es ist Mittag«, sagte er. »Die Wolkendecke bricht gerade auf. Vielleicht sind sie deshalb geflohen.«
    »Als wenn die Wölfe das stört!«
    »Was wissen wir denn wirklich?«, fragte er. »Schatten trotzen dem Morgen und treten durch Mauern, Wölfe jagen uns vor sich her … Was wissen wir schon? Nichts! Gar nichts!«
    Roman stöhnte plötzlich auf, und sie blickten erschrocken zu ihm hin. Er war verletzt, wie sie alle, aber sein Gesicht war grau vor Angst und Entsetzen, seine Augen geweitet. »Es tut weh«, schluchzte er auf, »das Licht - es tut so weh.«
    Seine Gefährten wichen vor ihm zurück.
    »Es tut schrecklich weh«, wiederholte er fassungslos. »Alles. Meine Augen brennen … Und da«, er zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Mattim, »die Sonne brennt!«
    »Er ist ein Schatten!«, rief Goran. »Ein Schatten!«
    »Nein«, protestierte Roman. »Nein, ich …« Er sank auf die Knie. Ein inneres Licht schien ihn auszufüllen und durch seine Poren zu strahlen, als wäre dort, in ihm, eine brennende Lampe. Er schrie nicht einmal mehr, während sie, unfähig sich zu rühren, gebannt zusahen, wie das Gleißen immer heller wurde, bis sie für einen Moment geblendet die Augen schlossen.
    Roman war fort.
    Goran schluchzte auf. Mirita sagte: »Ein Schatten. Wir sind mit ihm gegangen, die ganze Strecke, und wussten es nicht.«
    »Mir kam es so vor, als wusste er es selbst nicht«, erwiderte Mattim, immer noch im Bann dessen, was sie gerade
erlebt hatten. Mühsam richtete er sich auf, und auf einmal flog Mirita auf ihn zu und schlang die Arme um ihn.
    »Du bist nicht verbrannt«, sagte sie. »Du bist kein Schatten. Wir bringen dich jetzt nach Hause.«
    Morrits Hand auf seiner Schulter. »Ja. Wir bringen dich nach Hause.«

ZEHN
    BUDAPEST, UNGARN
    An diesem Abend war Attila nicht so müde, wie Hanna gehofft hatte. Statt mit schweren Füßen ins Bett zu sinken, drehte er noch einmal richtig auf, und bis er endlich schlief, war es zehn.
    Erschöpft ließ das Au-pair-Mädchen sich aufs Sofa fallen. »Was für ein Tag.«
    Réka machte es sich in dem großen Sessel bequem, die Beine über der einen Lehne, Kopf und Arme über der anderen, und lachte leise.
    »Dass wir es bisher nicht geschafft haben, dich zu vertreiben! Dabei geben wir uns doch solche Mühe.«
    »Ich bin eben hartnäckig«, verkündete Hanna.
    »Ich weiß.« Réka schloss die Augen. »Wie war das mit deinem Maik? Wie hast du ihn kennengelernt?«
    »Oh, das ist eine lange Geschichte.«
    »Macht nichts. Erzähl.«
    »So lang ist sie gar nicht«, gab Hanna zu. »Ich war nur unheimlich lange in ihn verliebt. Als ich ihn das erste Mal an unserer Schule gesehen habe, war ich dreizehn. Ich bin ihm im Flur begegnet, vor den Kunsträumen. Das weiß ich noch wie heute. Es hat mich getroffen wie ein Blitz.«
    »Wow«, murmelte Réka.
    »Na ja, leider nur mich. Er hat mich gar nicht bemerkt. Wir waren über tausend Schüler am Gymnasium, ich bin ihm gar nicht aufgefallen.«
    »Aber irgendwann schon.«
    »Ja, irgendwann schon. Bis dahin hatte ich jedoch ungefähr
drei Jahre lang Liebeskummer. Ich habe sogar Gedichte geschrieben. Und Tagebuch. Ich hatte ein sehr schönes Tagebuch mit einem Schloss, kaum zu glauben, was ich da alles hineingeschrieben habe. Meistens habe ich seinen Namen verschlüsselt, damit keiner wusste, von wem ich da geschwärmt habe. Ich habe X heute in der Aula getroffen und bin so dicht neben ihm vorbeigegangen, dass ich ihn gestreift habe. Heute in der Pause habe ich Romeo gesehen, ungefähr zwei Minuten lang. Ich hatte mindestens zwanzig verschiedene Geheimnamen für ihn. Manchmal habe ich aus Versehen Maik geschrieben und den Namen mit kleinen Aufklebern abgedeckt, damit mir ja niemand auf die Schliche kommen kann.«
    »Maik«, wiederholte Réka. »Es war doch ein Tagebuch mit einem Schloss. Wozu der ganze Aufwand?«
    »Falls ich sterbe. Dann hätten meine Eltern es vielleicht geöffnet und ein Buch daraus gemacht. Wir haben damals in der Schule Anne Frank gelesen, und aus ihrem Tagebuch wurde ja im Nachhinein ein Buch. So was in der Art könnte passieren. Dachte ich. Mir war damals nicht ganz klar, dass sich kein Mensch für das Tagebuch irgendeiner Dreizehnjährigen

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