Magyria 01 - Das Herz des Schattens
nach draußen taumelte, ins Dämmerlicht des Waldes, das ihn jetzt mit der Kraft von zehn Sonnen zu blenden schien. Am ganzen Körper bebend stürzte er hin, rappelte sich auf und hastete unter
die Bäume. An den breiten Stamm einer mächtigen Eiche gelehnt, schnappte er nach Luft. Irgendwann beruhigte sich sein Atem, und sein Herz schlug wieder gleichmäßig. Vorsichtig befühlte er die aufgeplatzte Stelle an der Stirn, die erschreckend schnell anschwoll. Er hatte nichts, um die Beule zu kühlen, nur sein Schwert. Vorsichtig drückte er die glatte Schneide gegen die schmerzende Wunde.
Dann wartete er.
Ihm fiel auf, wie still es war. Seine Freunde mussten sich endlich beruhigt haben. Bestimmt kamen sie allmählich zur Besinnung, ertasteten den Ausgang und standen gleich vor ihm, vielleicht ein wenig verlegen über ihre Panik und das grundlose Geschrei. Er hatte nicht wirklich etwas dagegen, auch die anderen einmal beschämt zu erleben.
Das kann passieren, würde er verständnisvoll sagen. Jedem, auch dem tapfersten Hüter.
Dann sah er eine Bewegung an der Höhle, und zwei Wölfe huschten heraus, ein grauer und ein schwarzer.
»Alita?«, fragte er verzweifelt. »Palig?«
Die beiden blickten ihn aus ihren hellen Tieraugen an, ohne ihm zu antworten, ohne ein Zeichen des Erkennens, dann liefen sie über die freie Fläche und verschwanden im Unterholz.
Es schnürte Mattim die Kehle zu, wenn er daran dachte, wie er vor Solta treten sollte. Vor die anderen Flusshüter. Vor die Familien seiner beiden Begleiter. Vor den König.
»Und ich?«, rief er laut. »Warum ich nicht? Warum trifft es immer die anderen und niemals mich?«
Er hatte keinen Namen für den Schmerz, der sein Herz in den Krallen hielt.
Als er ein leises Geräusch hörte, tauchte er unwillkürlich tiefer ins Waldesdunkel ein, hinter den Stamm. Vorsichtig riskierte er einen Blick.
Im Eingang der Höhle war eine Gestalt aufgetaucht. Es war die fremde Frau, die Rothaarige. Der Schatten. Prüfend
sah sie sich um. Wie ein kleines Kind schloss Mattim die Augen, damit sie ihn nicht bemerkte.
Als er sie wieder öffnete, war die Frau verschwunden. Immer noch war alles still.
»Was ist wirklich passiert?«
Mirita hatte ihm diesmal selbst die Tür geöffnet. Ihr Herz schlug heftig, als sie Mattim vor ihrem Haus stehen sah, mit wirrem Haar, einen verbitterten Zug um den Mund. Die Nachricht vom Verschwinden der beiden Flusshüter hatte sich so schnell in der Stadt verbreitet, dass sogar sie, obwohl ihr vor der Nachtschicht noch zwei Stunden Schlaf blieben, schon davon erfahren hatte. Ihre Mutter hatte sie geweckt und es ihr erzählt, mit der dringenden Bitte, heute nicht zum Dienst zu gehen. Danach konnte Mirita natürlich nicht wieder einschlafen. Die junge Bogenschützin hatte sich angezogen und auf den Fluss hinausgesehen, während sie die klammen Hände mit einer großen Tasse Tee wärmte. Er war so stark und bitter, dass sich alles in ihrem Mund zusammenzog. Als es klopfte, hatte sie erwartet, dass es ihre Mutter sein würde, die vielleicht den Schlüssel vergessen hatte. Nie hätte sie gedacht, dass der Prinz sie noch einmal besuchte. Die beiden waren keine Kameraden mehr, seit er tagsüber mit Solta in die Wälder ging.
»Mattim?« Mirita öffnete die Tür weit, doch er bewegte sich nicht, und schließlich griff sie nach seinem Ärmel und zog ihn in die Stube. »Setz dich.«
Gehorsam und immer noch schweigend ließ er sich auf einem der harten Holzstühle nieder. Ihre Mutter hatte Kissen dafür genäht, aber sie lagen auf einem Stapel in der Ecke. Sie wollte ihn nicht dazu auffordern, noch einmal aufzustehen, nur damit sie ihm ein Kissen unter den Hintern schieben konnte. Stattdessen drückte sie ihm ihre Teetasse in die Hand. »Trink. Er ist noch heiß genug.«
Mattim starrte in die Tasse, und sie wagte es, einfach um
das schreckliche Schweigen zu brechen, ihre Frage zu wiederholen. »Was ist wirklich passiert?«
Endlich hob er den Blick. Ihr schien, als wären seine grauen Augen dunkler geworden. Sie sah ihn an und dachte nicht mehr an Wolken, sondern an Steine und Mauern, an Schatten unter den Bäumen.
Mirita kniete sich vor den Prinzen hin und nahm ihm die Tasse aus den reglosen Händen. Sie ergriff seine Hände, ohne darüber nachzudenken, was sie tat.
»Mattim, schau mich an. Mattim, du bist nicht schuld.«
»Bin ich das nicht?« Er schüttelte den Kopf.
Selbst jetzt noch tanzte das Licht in seinem wirren Haar, hüpfte über die
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