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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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etwas ausgefressen.
    Sie nahm all ihren Mut zusammen. Es fiel ihr nicht einmal so schwer, wie sie gedacht hatte, denn in ihr war ein solcher Aufruhr, ein Wirbel von Wut und Sorge, der ihr die Kraft verlieh, für ihre Schutzbefohlene zu kämpfen.
    »Lass Réka in Ruhe«, sagte sie, hingerissen von ihrer eigenen Stärke. »Hast du verstanden? Lass sie in Ruhe!«
    »Sonst was?«, fragte er mit einem unerträglichen Lächeln.
    »Sonst gehe ich zur Polizei«, verkündete sie, doch er lachte nur leise. Hanna war so wütend, dass sie ihn mit beiden Händen vor die Brust stieß. »Mir kannst du nichts vormachen. Ich weiß, was du bist.«
    »Ach ja?« Kununs Hände schnellten vor, und er umklammerte
ihre Handgelenke. Sie konnte nicht anders, als ihm in die Augen zu schauen, die wie schwarze Fenster in seine dunkle Seele waren. Sein Gesicht kam ihr auf einmal gar nicht mehr schön vor. Er starrte sie an mit dem fremdartigen, unergründlichen Blick eines Raubtiers, das seine Beute fixiert.
    »Lass mich los«, ächzte sie. Auf einmal hatte sie keine Stimme mehr. Zu gewaltig war die Erkenntnis, dass die Gefahr auch ihr selbst galt, dass nicht Réka gerettet werden musste, sondern sie selbst. Hier stand sie mit ihm, am helllichten Tag, in einer Wohnsiedlung, und konnte sich weder rühren noch schreien, als er sich vorbeugte. In seinen Augen blitzte ein goldener Glanz auf. Sie spürte schon seinen Atem auf ihrer Haut -
    Da schrie jemand anders für sie.
    »Kunun! Hanna!« Es war Réka. Sie stand da, die Schultasche glitt ihr aus den Händen, Attila verharrte triumphierend neben ihr. Ihre Augen weiteten sich, und sie war wieder so blass wie eine Erfrorene. Alles Leben war aus ihren Zügen gewichen und machte dem Entsetzen Platz.
    »Oh, nein, nein!« Das Mädchen drehte sich um und rannte schluchzend davon.
    Kunun fluchte, ließ Hanna stehen und eilte ihr nach. »Réka! Warte!«
    Attila zog die liegengebliebene Tasche über die Steine. »Hat er dich geküsst?«, erkundigte er sich neugierig.
    »Nein«, erwiderte Hanna.
    »Réka ist ganz schön sauer.«
    »Ich weiß.« Sie konnte es immer noch nicht fassen, was fast passiert wäre. Auf einmal war ihr speiübel, sie schaffte es gerade noch an einen Zaun und würgte dort alles heraus.
    Attila beobachtete sie fasziniert und gab fachmännische Kommentare von sich. »Man konnte genau sehen, was es heute zu Mittag gab.«
    Zuvorkommend reichte er ihr sogar ein Taschentuch.

    Schwer atmend wischte Hanna sich über die schweißnasse Stirn.
    »Geht’s wieder? Können wir jetzt in die Sporthalle?«
    »Réka wird nicht dort sein.«
    »Ich würde trotzdem gerne zusehen.«
    Es gab nichts, was sie sonst tun konnten. Réka suchen? Nach Hause fahren? Es würde unerträglich sein, jetzt zu Hause zu sitzen und auf sie zu warten.
    »Na gut«, sagte Hanna mit zittriger Stimme. »Schauen wir uns ein Spiel an.«
     
    Zu Hause erwartete sie Klaviermusik. Demnach war Mónika da. Attila wollte sofort losstürzen; Hanna konnte ihn gerade noch am Arm erwischen.
    »Nicht. Du weißt, dass deine Mutter es nicht leiden kann, beim Spielen gestört zu werden. Vielleicht wäre es besser, wenn du …« Sie kam nicht dazu, ihn um den Gefallen zu bitten, nicht alles zu erzählen. Mit dem markerschütternden Ruf: »Hanna hat gekotzt!« stürmte er los.
    Sie seufzte. Die Schultasche stellte sie vor Rékas Tür ab. Dann verzog sie sich leise in ihr eigenes Zimmer und setzte sich aufs Bett. Sie konnte nicht denken. Das war merkwürdig. Sie hatte keine Ahnung, was sie planen sollte oder was als Nächstes geschehen würde. Sie wusste nur, dass es fürchterlich schiefgegangen war. Réka hasste sie jetzt. Trotzdem, wenn sie nicht gekommen wäre … Hanna merkte, dass sie fror, und rieb sich die Oberarme, aber das Frösteln kam von innen. Es wurde auch nicht besser, als sie sich eine Decke um die Schultern schlang.
    Ich weiß, was du bist …
    » Wunderbar, Hanna«, murmelte sie bitter. »Genauso führt man Kriege. Immer nur heraus mit allem, was du weißt. Lass deinen Gegner ja nicht im Unklaren darüber.«
    Der Zeiger der Uhr rückte unerbittlich voran. Demnächst musste sie sich um das Abendessen kümmern. Sie musste
Attila dazu bringen, seine Mutter in Ruhe zu lassen, damit Frau Szigethy ungestört spielen konnte. Sie musste …
    Stattdessen saß sie nur da und fühlte sich wie gelähmt.
    Als jemand die Tür öffnete, schrak sie zusammen, doch es war nur Mónika.
    »Du bist krank, Hanna? Attila hat erzählt, es geht dir nicht

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