Magyria 02 - Die Seele des Schattens
ist eingestürzt. Wir würden direkt in die Löscharbeiten platzen. Bestimmt ist die ganze Stadt auf den Beinen.«
»Gibt es was Besseres?« Atschoreks Augen glänzten vor Vorfreude.
Kunun bremste ihren Tatendrang. »Wir werden Akink noch früh genug mit unserem Besuch beehren. Das Wichtigste ist jedoch zunächst, dass wir Mattim zurückholen. Ich werde unsere Leute ganz bestimmt nicht diesem Qualm aussetzen. Ich werde niemanden«, wiederholte er mit Nachdruck, »ins Feuer schicken.«
»Aber …«
»Wir holen den kleinen Verräter zurück, keine Sorge. Lass mich nur kurz … Es ist alles in die Luft gegangen, Peron, sagtest du? Hast du es noch gesehen?«
»Der Wolf hat mich gebissen, in dem Moment, als das Feuer aufflammte.«
In Kununs Gesicht leuchtete etwas auf. »Dann ist Wilder hier.«
»Was?«, rief Atschorek. »Du meinst, er ist mitgekommen? Hierher?«
»Glaubst du, er lässt sich freiwillig verbrennen? Mit Feuer kennt unser Bruder sich aus. Er ist ganz sicher hier.« Der Schattenprinz wandte sich dem Angestellten des Labyrinths zu, der hinter ihnen stand, alles mit angehört hatte und so zu tun versuchte, als sei er gar nicht da.
»Hat jemand hier unten einen Wolf gesehen?« Die Augen des Befragten wurden noch größer. Freundlich gab der Vampiranführer weitere Informationen preis. »Einen großen, langbeinigen Wolf. Rötliches Fell, das bei dieser Beleuchtung hier allerdings auch grau gewirkt haben könnte. Er war ein hübscher, rothaariger Bursche, als er noch ein Mensch war. Nun? Nichts?«
»Nein – nein«, stotterte der Mann.
»Dann gehen wir besser mal nachsehen«, schlug Atschorek vor und hakte sich bei ihm unter. »Kommen Sie mit. Sie wollen doch bestimmt ebenfalls sichergehen, dass sich kein Wolf hier im Labyrinth herumtreibt?«
»Du verstehst immer ganz genau, was ich denke«, lobte Kunun anerkennend.
»Wie heißen Sie eigentlich?«, fragte seine Schwester fröhlich weiter.
»Tibor.«
»Ah, Tibor! Lassen Sie sich nicht davon irritieren, dass wir über Dinge gesprochen haben, die sich für Sie sehr verrückt anhören müssen.« Munter plaudernd zog sie ihn weiter.
»Komm.« Kunun winkte Peron und betrat den Gang durchs Labyrinth von der anderen Seite her, sodass sie die beiden anderen irgendwo auf halbem Weg treffen würden, sofern nicht einer von ihnen zuvor auf den Wolf stieß.
»Ich glaube, ich verstehe nicht ganz, was hier gerade geschieht.«
»Oh, ganz einfach. Wir retten Mattim. Und wir erobern Akink. In dieser Reihenfolge.«
»Du willst ihn retten? Eben meintest du doch noch, er würde die Schatten verraten.«
»Das wird er auch«, bestätigte Kunun. »Mattim glaubt immer noch, er müsste für das Licht kämpfen. Ich weiß das. Ich kenne diesen kleinen Bastard besser, als er denkt.«
»Wie sprichst du über den Prinzen?«, wunderte sich Peron. »Seid ihr nicht seine Gefolgsleute? Er ist der Prinz der Schatten, oder nicht?«
»Prinz«, flüsterte Kunun, als hätte in diesem Wort einst eine Verheißung gelegen, die sich nie erfüllt hatte. »Du weißt nicht, wer ich bin, nicht wahr? Der König des Lichts hat unsere Namen aus den Chroniken gelöscht. Unsere Porträts abgehängt. Wir schulden ihm nichts mehr, bis der Wolf die Zähne auch in seinen königlichen Hals geschlagen hat.«
»Du bist auch einer von Faranks Söhnen? Es heißt, sie seien längst tot, von der Dunkelheit verschlungen.«
»Ich bin der Älteste«, sagte Kunun. »Der Erbe von ganz Magyria. Der Erbe des Lichts. Und ich werde dem Licht abringen, was mir zusteht. Aber erst«, er lächelte, »erst retten wir meinen kleinen Bruder. Falls sie ihn nicht schon quer durch die Stadt gejagt und in den Fluss geworfen haben. Die Sache eilt ein bisschen. In Akink gibt es keine Gnade für unsereins.«
»Wilder!« Atschorek rief leise. Ihre zärtliche Stimme lockte. »Wilder, bist du hier?«
Auf ihrem Weg durch das Labyrinth hatte sie Tibor bei der Hand gefasst und zog ihn wie einen unwilligen Liebhaber durch die schummerigen Gänge. Kleine Lampen warfen ihr Licht auf Höhlenmalereien und Kunstobjekte. Dazwischen führten Abzweigungen ins Dunkel, finstere Nischen bargen Geheimnisse. In jeder von ihnen hätte sich ein Wolf verbergen können, geduckt, abwartend. Ein wilder Wolf, der den Verstand verloren hatte, ein Tier, rasend vor Zorn und Angst, den Geruch des Feuers noch im Nacken, das Blut eines Menschen auf der Zunge.
»Wilder? Komm zu mir, Wilder. Ich weiß, dass du mich liebst. Komm her.«
»Dieser Mann«, sagte
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