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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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geschieht … dein Name wird immer noch da sein. Ich werde denken: Mattim … Mattim … Wie die Glockenschläge einer alten Uhr. Mein Herz schlägt den Takt. Ich werde an nichts anderes denken, wenn ich darauf warte, dass wir sterben. Nur an dich.«
    Er küsste sie wieder. Die Sehnsucht nach Leben war so stark. Er konnte sie nicht loslassen. Leben. Ihr Leben. Sein Leben. Es war alles eins. Das war alles, was er wollte. Das, was in ihr war, was sie war. Licht. Leben. Alles, was ihm fehlte, alles, was er brauchte, alles, was er jemals gewollt hatte …
    »Die Pforte ist zu?«, fragte sie leise. »Du hast Akink gerettet?«
    »Verdammt sei Akink«, stieß er hervor. Er küsste sie heftiger, drängender. Der Geschmack ihres Lebens. Er konnte nie genug davon bekommen.
    Hanna vergrub ihre Hände in seinem Haar und zog seinen Kopf zu sich herunter.
    »Flieh«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Rette dich. Du musst ohne mich durch den Schatten gehen. Flieh durch die Wand.«
    »Ich werde dich nicht allein lassen«, sagte er. »Niemals.«
    »Geh. Bitte, Mattim. Es wird mir besser gehen, wenn wenigstens du dich rettest.«
    »Und wohin?«, fragte er, er versuchte zu lachen. »Ich habe ihnen geraten, ein Feuer brennen zu lassen, dort, wo der Übergang ist. Wohin könnte ich fliehen?«
    »Aus der Stadt heraus«, sagte sie leise. »Du kannst dich im Umland verstecken, dort kannst du leben, im Zwielicht. Du musst nicht zurück auf die andere Seite, du kannst hier warten, bis Kunun einen Weg findet, dich zurückzuholen.«
    »Du glaubst, ich könnte das? Vor den Stadtmauern warten, bis Akink irgendwann erobert wird? Ohne dich?«
    »Du musst. Wenn ich weiß, dass du in Sicherheit bist, werde ich … wird es nicht ganz so schlimm sein. Und wenn du mich vorher beißt, nimm bitte so viel, dass ich betäubt bin. Dann werde ich nicht leiden.«
    »Nein«, widersprach er, »nein! Ich bleibe bei dir.«
    »Aber so fürchte ich mich doppelt«, sagte sie leise. »Für dich und für mich.«
    Er hätte schon damals sterben sollen. Damals, im Fahrstuhl, als er noch unschuldig gewesen war. Als er Hanna noch nicht berührt hatte. Als es nur um sein Leben ging, nur um seines.
    »Versprich mir eins, Mattim. Spring nicht in den Fluss.«
    Der Fluss, den er so liebte! Wie würde es sein, ins Licht zu fallen und zu versinken … So wie damals im Winter. Und nicht zurück nach oben zu schwimmen, sondern sich zu ergeben. Mit Hannas Blut in den Adern würde er nicht sofort sterben. Langsam, ganz langsam würde das Licht sich nach ihm ausstrecken wie mit glühenden Armen und ihn an sich ziehen.
    Aber während er sich das vorstellte, wusste er schon, dass er niemals in sein Sterben einwilligen konnte, ohne wenigstens zu versuchen zu kämpfen. Er würde nicht in den Fluss springen. Das wusste er. Selbst wenn sie mit tausend brennenden Pfeilen auf ihn zielten, er würde nicht springen.
    »Ich verspreche es dir. Keinen Augenblick früher werde ich gehen. Keine Sekunde früher, als ich muss.«
    Er zog sie auf die Bank und legte den Arm um ihre Schulter. Im Gang standen die Wachen mit kühlen Augen.
    »Kein letzter Wunsch?«, fragte Mattim. »Keine Henkersmahlzeit? Verdammt, bringt ihr wenigstens ein Glas Wasser!«
    »Sonst hast du nicht so viel geflucht«, murmelte Hanna, den Kopf an ihn gelehnt. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, dunkle Haarsträhnen fielen über ihre Wangen.
    »Ich werde mich bessern«, versprach er grimmig. »Gleich morgen.«
    In seinem Kopf kreisten die Gedanken, fieberhaft, drehten sich und stoben auseinander. Wenn es ihm gelänge, die Fußfessel aufzubrechen … bloß wie, unter den Augen der Wachen? Seine Fantasie übersprang diese Hürde. Er träumte davon, wie sie beide durch die Wand glitten, in die nächste Zelle. Wie sie aus dem Verlies flohen, durch die dunklen Straßen der Stadt rannten … Aber wohin? Wohin, wenn die Pforte brannte? Wenn die Brücke bewacht wurde? Wohin nur?
    Falls du irgendwelche menschlichen Regungen in dir bewahrt hast, wirst du froh sein, dass es endlich ein Ende hat.
    Aber er war nicht froh. Ich möchte sterben, einfach sterben … Wie oft hatte er das in letzter Zeit gedacht? Doch jetzt war er bereit, um sein Leben zu kämpfen, auch wenn es nichts weiter als dieses erbärmliche, verachtenswerte Schattenleben war. Dann ist eben nichts Menschliches mehr in mir , dachte er zornig, nichts, gar nichts.
    Wenn er bloß nicht die Pforte verraten hätte! Wie sollte er fliehen, wenn es keine Tür nach Budapest mehr gab? Und

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