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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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niemand mehr essen konnte.
    »Ob es wohl stimmt«, tuschelte jemand neben ihm, »dass dort regelrechte Gelage abgehalten worden sind? – Dann ist es ja kein Wunder, irgendwann musste so etwas passieren!«
    Auch über Peron sprachen sie, obwohl sein Name nicht fiel. Um die Verlorenen ging es, die armen Bürger, die mit in den Tod gerissen worden waren.
    »Gut für seine Frau, dass sie ihn nie wiedersehen wird«, sagte einer. »Besser Witwe sein als einen Schatten zum Ehemann zu haben.«
    Kein Wort von Mattim.
    Kunun schöpfte Hoffnung. Vielleicht war es noch nicht zu spät. Vielleicht hatte sein Bruder es tatsächlich geschafft, bis zur Burg zu gelangen und Hanna aus dem Verlies zu befreien. Aber wohin hätte er mit ihr fliehen sollen – hierher? Die Wache auf den Fersen? Gewiss nicht. Die beiden brauchten jemanden, um sie zu der anderen Pforte zu führen.
    Widerwillig regte sich Bewunderung in ihm für seinen Bruder. Jedenfalls war er nicht so dumm gewesen, zu Mutter und Vater zu rennen und um die Freilassung seiner Liebsten zu betteln. Kunun traute Mattim so einiges an albernen Torheiten zu.
    Auf dem großen Platz blieb er stehen und schaute an dem Richtholz hinauf. Sein Gesicht zeigte keine Regung.
    Akink. Das hier war Akink. Es berauschte ihn, durch die vertrauten Straßen zu gehen, doch er hatte sich in der Gewalt. Hundert Jahre Budapest. Hundert Jahre, in denen er miterlebt hatte, wie eine Stadt sich veränderte, Kriege durchlebte, litt und sich wieder aufschwang – aber hier war alles noch wie vor hundert Jahren. Es war immer noch das Akink seiner Kindheit, seiner Jugend, die Stadt des Lichtkönigs, durch die der ahnungslose junge Kunun auf einem großen grauen Pferd geritten war, den Kopf hoch erhoben, um sich her wie ein weiter, schwingender Umhang das strahlende Leuchten des Erstgeborenen. Jeden Morgen öffneten sich die Tore der Burg, und er ritt durch die Straßen und brachte den Tag. Die Menschen öffneten die Fenster, nickten ihm zu und lächelten, und der Schein glühte über ihre Gesichter.
    Sonne von Akink …
    Nicht seinen Vater. Ihn hatten sie so genannt. Wenn er stehenblieb und an einem Haus hinaufsah, winkten die Kinder. Schöne junge Mädchen neigten scheu die Köpfe und lächelten verschämt. Jede, der er zulächelte, hätte seine Lichtprinzessin werden können, jede hätte die Arme nach ihm ausgestreckt und mit leiser Stimme seinen Namen geflüstert. Aber keine von ihnen hatte er gewählt. Er hatte geglaubt, er hätte genug Zeit. Stark und schön und jung, wie er war …
    Kunun träumte, während er durch die Vergangenheit schritt, über die uralten Steine. Akink. Eine Stadt, über der nun wohltuende Dunkelheit lag. Aus der Pforte, von der sie nichts wussten, quoll die Finsternis, die er bringen würde. Wölfe. Wölfe und Schatten. Und dann – dann! Wenn diese Stadt erst ihm gehörte, würde es sein wie damals. Er wusste das. Hier war das Licht zu Hause. Hier war alles, wonach er sich sehnte, alles, wovon er träumte. Hier.
    Das Leuchten der Burg zog ihn magisch an. Er ging, fast ohne zu merken, wie seine Beine sich ohne sein Zutun bewegten und ihn den Weg hinaufzogen, nach Hause. Nach Hause!
    »Wohin?«
    Der Wächter, der ihn aufhielt, musterte ihn ohne Erkennen. Beugte sich nicht, redete ihn nicht mit seinem Titel an. Dies war nicht mehr das Akink von vor hundert Jahren. Kunun hoffte nur, dass dem Mann das Pflaster nicht auffiel, das die Begegnung mit dem Schattenwolf verdeckte.
    »Soll es nicht eine Hinrichtung geben?«, fragte er.
    »Bei Sonnenaufgang«, sagte der Wächter.
    »Morgen früh also. Ich kann es kaum erwarten.« Er wandte sich um, zurück zum Richtplatz, als er die leisen, klirrenden Schritte der Wächter hörte.
    Das Burgtor hatte sich geöffnet, und zahllose Gestalten in den dunklen Uniformen der Wache strömten heraus. Sie stampften nicht, dröhnten nicht, sie hörten sich überhaupt nicht an wie marschierende Soldaten. Nahezu lautlos schwärmten sie aus, als hätte ein Kind mit einem Stock in einem Ameisenhügel gestochert. Im ersten Moment glaubte Kunun, dass es ihm galt, denn sie hielten genau auf ihn zu. Irgendetwas hatte ihn verraten, seine Kleidung vielleicht, wenn es nicht doch das Pflaster über der Kratzwunde gewesen war. Den Impuls, sich umzuwenden und zu fliehen, unterdrückte er; eine Lanze in den Rücken war schlimmer als alles, was ihm von vorne begegnen konnte.
    Stocksteif blieb er stehen und sah die Stadtwächter herankommen, doch sie beachteten ihn gar

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