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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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unauffällig wie möglich verschwinden, auch in seinem eigenen Interesse. Meistens waren die Neuen schlau genug, um das rasch zu begreifen.
    Mitleiderregend starrten die runden Augen Kunun an.
    »Akink wird uns gehören«, sagte der Vampir leise und trat durch den Schatten hinaus auf die Straße.
    Er ließ sich treiben im Strom der Wachsoldaten, die zurück zur Burg strebten, und bekam hautnah mit, wie sich das furchtsame Schweigen allmählich in Wut und Rachsucht verwandelte. Die den Akinkern anerzogene Ruhe und Gelassenheit schlug nach dieser Feuerprobe ins Gegenteil um.
    »Wir hätten ihn auseinandernehmen sollen«, sagte einer. »Gleich in den Fluss mit ihm. Nie, niemals würde ich erlauben, dass so einer auch nur einen Schritt über die Straßen unserer Stadt geht.«
    »Sie wollen ihn wohl befragen.«
    »Na und? Was soll er schon sagen? Wenn ich einen Schatten zum Reden bringen müsste, würde ich dafür sorgen, dass das Einzige, was er von sich gibt, ›Gnade!‹ ist.«
    Kunun ging mit ihnen, ohne die Miene zu verziehen. Die anderen waren viel zu aufgeregt, um auf ihn zu achten. Gemeinsam betraten sie die Burg durch das Tor. Der Prinz senkte den Kopf, als er sah, dass der König auf den Balkon trat, um zu ihnen zu sprechen. Nur einen kurzen Blick riskierte er auf den Mann, der sein Todfeind geworden war.
    Reden konnte Farank immer noch, vielleicht sogar besser als früher. Er hielt eine glühende Ansprache, um den Leuten Kraft zu geben, und tat, als sei er voller Zuversicht, dass sie die Bedrohung abwenden konnten. Sogar die Begründung, warum der Schatten nicht auf der Stelle, dort unten am Fluss, ausgelöscht worden war, flocht er in seine Rede ein, ohne dass es danach klang, als sei der Herrscher von Magyria seinen Soldaten eine Erklärung schuldig.
    »Noch nie«, sagte der König laut, »noch nie ist es uns bisher gelungen, einen Schatten zu fangen, der uns dabei helfen muss, Akink zu retten. Wir haben sie zurückgeschlagen, verfolgt und vernichtet, aber das erste Mal in unserer Geschichte haben wir einen Feind in unserer Gewalt. Keinen Neuling, der gerade erst zur Dunkelheit übergetreten ist, sondern einen Meister der Finsternis, der uns die Geheimnisse der Schatten enthüllen kann. Unter Einsatz eures eigenen Lebens habt ihr den Feind an einen Ort geleitet, von dem er nicht entkommen kann. Akink wird niemals verloren gehen, solange unsere Männer und Frauen alles geben im Kampf gegen das Dunkel.«
    Ausgerechnet Mattim wurde hier zum Meister der Finsternis befördert! Der Wolf in Kunun, in den er sich nicht verwandeln konnte, knurrte leise. Kein Wort verlor Farank darüber, dass es um seinen Sohn ging. Kein Wort darüber, dass es Prinz Mattim war, den sie gefangen hatten, seinen Jüngsten, seinen Liebling, seinen Augapfel, geboren in eine dunkle Zeit, die letzte Hoffnung der Familie des Lichts und der Stadt Akink. Ein Feind, ein Schatten. Nicht der Rede wert, dass es dieser geliebte blonde Junge war, die Freude seiner Mutter, ein Knabe, verehrt und umarmt von einer ganzen Stadt. Der König machte ihn zu einem namenlosen Feind – Mattim, den Goldjungen, das Nesthäkchen, den kleinen Schatz von Akink.
    Dafür hasste Kunun seinen Vater umso mehr. Er wünschte sich, ihn zu bestrafen, ebenso sehr, wie er sich wünschte, zu ihm zu gehen und ihn zu umarmen.
    Es war eine Versuchung, Farank so nah zu sein, eine Verlockung, mit der er nicht gerechnet hatte. Als Mensch hatte er nie gemerkt, dass an seinem Vater irgendetwas leuchtete. Jetzt, als Schatten, spürte er es so deutlich, dass er es kaum aushalten konnte. Wie eine Motte fühlte er sich davon angezogen, von der Helligkeit, von diesem Strahlen, das den Lichtkönig umgab. Alles in Kunun schrie danach, auf ihn zuzutreten – es konnte gelingen in dieser Verkleidung, so nah war er ihm, so unglaublich nah! – und seine Hände auf dieses Leuchten zu legen und davon zu trinken.
    Aber wenn er den König biss, würde dieser zum Wolf werden.
    Kein Schatten, verwirrt und entsetzt und allein, der nach Luft rang, die ihm nichts mehr geben konnte, der die dumpfe Leere in seiner Brust fühlte und die brennende Sehnsucht nach dem Licht, sondern ein Wolf. Die Wölfe waren immer mit sich im Reinen.
    Das gönnte Kunun ihm nicht. So leicht wollte er es seinem Vater nicht machen. Einmal würde Farank fühlen müssen, wie es war, kein schlagendes Herz mehr zu haben. Ein Mal, nur ein einziges Mal, sollte er das Erschrecken in den Augen der anderen sehen.
    Der König zog sich

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