Magyria 02 - Die Seele des Schattens
dunklen Haar, begleitet von zwei Wölfen. Das Mädchen aus dem Verlies.
»Du? Wir erwarten Prinz Mattim«, sagte Mirita.
»Ich spreche heute für die Schatten.« Hanna hob den Kopf etwas höher. Ihre braunen Augen wichen dem hasserfüllten Blick der Unterhändlerin nicht aus. Es wäre ein merkwürdiges Gefühl gewesen, auf der Seite der Schatten zu stehen und für sie die Verhandlungen zu führen, wenn nicht alle ihre Empfindungen dort hinten geblieben wären, bei Mattim im Zelt. Im Moment war ihr ziemlich egal, was irgendjemand über sie dachte.
»Wie seltsam, dass wir uns hier so wiedersehen.« Die blonde Flusshüterin starrte sie an wie ihren allergrößten Feind. »Das Mädchen, das den Schattenwolf nach Akink gebracht hat. Er schickt dich – mit Absicht, wie? Um mich zu verhöhnen? Wo ist er eigentlich?«
»Wo ist euer König? Wir bringen unsere Anführer genauso ungern in die Schusslinie wie ihr. Können wir jetzt beginnen?«
Mirita atmete tief durch. »Drei Tage, nicht einer. Der König verlangt drei.«
»Drei sind zu viel«, widersprach Hanna sofort. »So lange sollen wir Kunun festhalten und ihn daran hindern, wieder die Führung zu übernehmen? Damit fordert ihr das Schicksal geradezu heraus.«
»Du könntest also nicht dafür garantieren, dass sie uns drei Tage lang in Ruhe lassen?«
Hanna verzog leicht das Gesicht. »Natürlich könnte ich das«, behauptete sie. »Aber will ich das? Will ich eure zweite Gefangene drei Tage lang in eurer Gewalt lassen?«
»Ah«, meinte Mirita. »Die zweite Gefangene. Zwischendurch schien es fast, ihr hättet sie vergessen.«
Réka vergessen? Réka, für die all das hier geschah, für die Mattim sich in einen finsteren Schatten verwandelt und dieser Stadt das Messer an die Kehle gesetzt hatte? »Zwei Tage – wenn ich sie jetzt sehen darf.«
»Wie, sehen? Hier? Hast du eine Ahnung, was es bedeutet, einen Schatten durch die Stadt zu transportieren, ohne Menschen zu gefährden?«
»Glaub mir, ich weiß mehr über die Schatten als du. Geht es ihr gut? Ist sie verletzt?«
»Soweit es einem Schatten überhaupt gut gehen kann.« Mirita wirkte so wütend, dass Hanna am liebsten ein paar Schritte Abstand zwischen sich und die Bogenschützin gebracht hätte. Doch sie blieb stehen und fühlte die beruhigende Gegenwart der Wölfe an ihrer Seite.
»Zwei Tage«, wiederholte Hanna. »Das ist doppelt so lange wie das, was Prinz Mattim euch angeboten hat. Dafür will ich Réka sehen.«
»Und Mattim bleibt zwei Tage lang euer König, auch wenn wir Kunun zu euch rüberschicken? Ihr garantiert, dass sich die Schatten friedlich verhalten und uns in Ruhe lassen?«
»Ja, das garantiere ich.«
»Sie gehorchen dir doch? Bist du sicher, dass sie dir gehorchen? Sonst nützt das alles gar nichts!«
Hanna wandte sich zu den Flusshütern um. »Hauptmann Solta«, sagte sie gebieterisch. »Spring in den Fluss.«
Solta starrte zurück. »Was?«
»Du hast mich gehört. Spring in den Fluss. Dort, zwischen den beiden Pfosten.«
Der Schattenhauptmann nickte, drehte sich um und trat ans Brückengeländer. Die anderen Schatten wichen zur Seite, sodass ein jeder vom Ufer aus mitverfolgen konnte, was geschah. Solta packte mit beiden Händen die steinerne Brüstung und schwang sich hinüber. Ein lautes Klatschen verriet, dass er im Wasser gelandet war. Dann nichts mehr, kein Schrei, kein Kampf.
Ein Raunen ging durch die Reihen der Zuschauer.
Mirita schluckte. »Du schickst einfach so einen eurer eigenen Leute in den Tod?«
»Einer meiner eigenen Leute. Das ist der Punkt. Wolltest du nicht einen Beweis? Die Schatten gehorchen mir genauso wie Mattim. Mein Wort gilt genauso viel wie seines. Und dieses Gerede hier ermüdet mich langsam. Bringt endlich Kunun her! Ich dachte, ihr habt ihn dabei?«
»Schwöre, dass ihr die Brücke freigebt. Dass du die Schatten aus der Stadt rufst. Dass die Wölfe verschwinden. Dann sollst du die Gefangene sehen. Aber nur du. Kein Schatten darf dann noch über die Brücke. Und versprich«, Mirita machte eine Pause, »dass du uns mindestens zwei Tage gewährst, in denen wir unbehelligt tun können, was immer wir wollen. Der Jäger darf in dieser Zeit nicht auf die Jagd gehen. Wir erwarten, dass ihr ihn so lange festhaltet und seine Fesseln nicht löst und das Königtum über die Schatten nicht an ihn zurückgebt. Schwöre auch das. Am Ende dieser Zeit erhaltet ihr das Mädchen zurück.«
Miritas laute, klare Stimme trug weit. Es war, als hielte die Stadt den
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