Magyria 02 - Die Seele des Schattens
Autorität. »Lasst mich durch.« Wütend funkelte sie die Gegner an.
»Des Prinzen?«, fragte einer der Männer. »Welches Prinzen?«
»Ist das nicht egal?«, fuhr Hanna ihn an. »Alle Prinzen sind Schatten oder Wölfe, wie ihr sehr wohl wisst. Ich bin Mattims Lichtprinzessin. Was wollt ihr aus mir machen, seine Schattenprinzessin? Seine Wolfsprinzessin? Jetzt fühlt ihr euch mächtig, aber wenn ihr es wagt, mich anzurühren, wird er euch in der Luft zerreißen.«
Sie zog Elira hinter sich her, zwischen den Angreifern hindurch, und zwang sich dazu, sich nicht umzudrehen. Um zu sehen, ob sie die Köpfe zusammensteckten und tuschelten, ob irgendjemand sagte: Das war doch die Königin, oder nicht?
Hanna war übel, so knapp waren sie entkommen. Die Dunkelheit in den Straßen hatte ihnen diesmal geholfen, aber das musste nicht jedes Mal so sein.
»Weiter«, befahl sie. »Bloß immer weiter.«
Dort war schon der Hafen. Sie war nicht die Einzige, die an die Boote gedacht hatte. Zahlreiche Flüchtlinge strömten hierhin.
»Hoffentlich lassen sie noch eins für uns übrig«, stieß sie im Laufen hervor.
»Ich hoffe nur, dass Farank auch herkommt.« Anscheinend war Elira nicht imstande, an etwas anderes zu denken als an ihren Lichtgemahl.
Am Abstieg zu den Stegen wimmelte es von Menschen. Die ersten Boote fuhren bereits aus dem Hafenbecken. In der engen Ausfahrt stießen zwei zusammen, eins davon, völlig überladen, kippte um. Fluchend schwammen die Insassen zurück und retteten sich auf die Anlegestege.
»Die Königin!«, rief Hanna laut. »Ein Boot für die Königin!«
Ein paar Männer halfen den beiden Frauen die Leiter hinunter, doch zu ihrem Schrecken musste Hanna feststellen, dass alle Boote besetzt waren.
»Ein Boot für die Königin!«, schrie sie.
»Majestät, nehmt unseres.« Ein junges Paar stieg aus einem winzigen Ruderboot. Hanna wäre ein größerer Kahn lieber gewesen, aber jetzt war nicht die Zeit, um wählerisch zu sein. Sie nickte den beiden dankend zu und half der Königin beim Einsteigen.
Sie mussten eine Weile warten, bis die Ruderer vor ihnen das Becken freigemacht hatten, eine Zeit, die ihr endlos lange vorkam, doch dann konnten sie sich in die Reihe der Flüchtlinge einordnen, die hinaus auf den Fluss strebten.
Vor ihnen schaukelten die anderen kleinen und größeren Boote auf den Wellen und wurden rasch von der Strömung auseinandergezogen. Hanna war nicht geübt im Rudern, aber die Fahrt mit Wilder hatte immerhin etwas gebracht. Sie tauchte die hölzernen Paddel ins Wasser und fand allmählich in einen stetigen Rhythmus hinein. Völlig apathisch saß Mattims Mutter auf der schmalen Sitzbank und starrte zur Burg hinauf, die über der Stadt leuchtete.
»Er ist immer noch da«, murmelte sie. »Warum flieht er nicht?«
»Wohin soll er denn fliehen?«, fragte Hanna. »Es gibt keinen Ausweg mehr.«
»Die Wachen …«
»Vergessen Sie die Wachen! Die Schatten gehen durch Wände!«
Sie bemühte sich, mit den anderen Booten mitzuhalten, und überholte einige, in denen zu viele Menschen saßen. Die Wellen schwappten schon über den Rand. Verzweifelte Rufe ertönten, als eins der Gefährte kenterte. Bevor die Schwimmenden auch die Königin in Gefahr brachten, ruderte Hanna hastig weiter.
Dort war schon die Brücke. Ein Boot nach dem anderen glitt unter ihr hindurch wie unter einem gewaltigen Torbogen. Es war, als würde dahinter ein neues Land beginnen. Der Weg ins Ungewisse, fort von Akink – aber wohin?
»Ich muss zurück«, stieß Hanna hervor. »Es tut mir leid.«
Die Königin hob den Kopf und starrte das Mädchen an. »Du bist doch ein Schatten. Wohin bringst du mich? In welche Nacht führt uns der Weg?«
»Ich bin kein Schatten. Sonst könnte ich wohl kaum hier auf dem Fluss sein.« Sie versuchte sich aufs Rudern zu konzentrieren, obwohl alles in ihr sie zurück in die Stadt rief. »Trotzdem muss ich wieder nach Akink. Mattim ist dort.«
Seine Mutter blickte sie nachdenklich an.
»Als wärst du wirklich seine Lichtprinzessin … dein Gesicht – leuchtet es nicht sogar? Wie kann das sein, wenn er ein Schatten ist?« Sie schüttelte verwundert den Kopf. »Dann geh zu ihm. Ich kann alleine weiterfahren. Vielleicht dort – jenes Boot scheint nicht voll besetzt.«
Mit aller Kraft hielt Hanna darauf zu. »Wartet! Bitte!«
Einige Gesichter wandten sich ihr zu, bleich in der Dämmerung.
Elira schlug die Kapuze zurück. Ihre Stimme klang nicht mehr verzweifelt und verängstigt,
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