Magyria 02 - Die Seele des Schattens
sind die Wölfe.«
Zu spät. Nie, niemals hätte er Kunun geholfen, Bela herzubringen, wenn er das gewusst hätte. Der Moment der Verwandlung. Wenn der Wolf zuschnappt und aus einem atmenden, lebenden Wesen etwas anderes wird, ein Schattenwesen, gefangen zwischen Leben und Tod, gebannt in den Augenblick, in dem die Wirklichkeit zerbricht und etwas gebiert, das es eigentlich nicht geben darf … Wenn das stimmte, gab es Hunderte, nein, Tausende von Pforten.
Und er hatte den König des Lichts dazu gebracht, sein Leben zu riskieren, um eine einzige davon zu schließen. Eine einzige!
Atschorek bekam von dem Aufruhr in ihm nichts mit. »Wir müssen Bela zurück nach Magyria bringen. Irgendwie. Bevor noch mehr passiert.« Sie sah sich um und winkte einigen Schatten aus dem ersten Stock, zu ihnen herunterzukommen.
»Er darf nicht durch den Eingang hier«, wies sie die Vampire an. Es waren drei Männer und zwei Frauen – darunter Goran –, denen sie auftrug, den Wolf auf keinen Fall aus dem Hof zu lassen.
»Ein Schattenwolf«, sagte ein älterer, bärtiger Mann, an den Mattim sich dunkel erinnern konnte. Vor Jahren hatte er zu den Flusshütern gehört. »Das ist er doch, nicht wahr? Wenn mich nicht alles täuscht, ist das der Wolf, dem ich mein Schattendasein verdanke.«
»Prinz Bela«, flüsterte Goran. »Aber so habe ich ihn noch nie gesehen.«
»Er ist sehr gefährlich, viel gefährlicher als ein normaler Wolf, sogar für jeden für uns«, sagte Atschorek. »Möchtet ihr für den Rest eurer Tage gezeichnet und verstümmelt werden? Ich jedenfalls nicht. Aus diesem Grund wird Kunun es beenden, wenn wir ihn nicht bändigen können.«
»Der Käfig«, überlegte Mattim. »Und ein Köder. Ein hungriges Tier würde hineingehen.«
»So dumm ist er nun auch wieder nicht.«
»Bist du sicher?«
»Immerhin hat er Zoltan angegriffen und keinen von uns. Obwohl wir näher beim Käfig standen. Mattim, glaubst du wirklich, wir hätten uns damals dafür entschieden, Runia zu töten, wenn es so einfach wäre?«
»Trotzdem hat Kunun Bela hergebracht.« Wir. Wir haben ihn hergebracht. Mattim war so wütend, dass er kaum an sich halten konnte. »Obwohl er wusste, dass genau das passieren wird.«
Bela würde sterben. Der Wolf im Hof war ein ganz anderer als der, den Kunun in den Käfig geschubst hatte, der bereitwillig das Risiko eingegangen war, von dem er zweifellos gewusst hatte. »Was ist eigentlich mit deiner Pforte?«
»Mit meiner Pforte?«, fragte Atschorek verständnislos.
Er musste sich mit Gewalt beherrschen. »Dein Übergang. Die Stelle, an der du gebissen wurdest. Irgendwo vor Akink, war es nicht so? Warum habt ihr diese Pforte nicht benutzt?«
Sie wandte das Gesicht ab. »Ich habe keine Ahnung, wo sie ist.«
»Du weißt es nicht …? Wie kannst du das nicht wissen? Warst du nicht dabei, als du gebissen wurdest?«
Atschorek wurde blass vor Zorn. »Ich hatte genug damit zu tun, mir etwas auszudenken, wie ich das geheim halten konnte. Mach mir keine Vorwürfe, dass ich es nicht so wichtig fand, mir die Stelle zu merken. Eine Nacht! Ich hatte nur eine einzige Nacht!«
Sie wandte sich wieder den anderen zu, vor Wut zitternd. »Nun, hat endlich mal jemand eine Idee, die uns weiterbringt?«
»Ein Betäubungsgewehr? Eine Spritze?« Der Vorschlag kam von einem Vampir, der schon länger in Budapest wohnte.
»Wer wird sie ihm geben?«, fragte Atschorek zurück.
Mattim warf einen Blick in den Hof. Der Wolf hatte sich in den Schatten zurückgezogen. Aber der Junge konnte fühlen, dass er noch da war. Alle seine Sinne nahmen ihn wahr, sein hastiges Atmen, den Raubtiergeruch. Geduckt, abwartend.
Ein Wolf, im Schatten.
Die Sehnsucht sprang Mattim an, überrumpelte ihn; er konnte keine Gegenwehr leisten. Unter seinen Händen spürte er immer noch das dichte Fell, die Wärme des Tierkörpers. Ein schlagendes Herz. Leben, in der Dunkelheit, auf leisen Sohlen durch den Wald …
»Wir müssen ihn nach Magyria zurückbringen!«, drängte Goran.
»Ein Betäubungsmittel?« Mattim wandte sich an den Vampir, der die Idee beigesteuert hatte. »Können wir in dieser Stadt so etwas bekommen?«
»Vielleicht von einem Arzt oder in einer Apotheke? Soll ich in der nächsten Praxis nachfragen, ob die etwas haben, was man benutzen könnte?«
Atschorek zögerte. »Was meinst du, Mattim?«
Er war es nicht gewöhnt, dass sie Hilfe und Rat von ihm suchte. »Réka hat einen Onkel, der Arzt ist. Vielleicht kann er uns helfen.«
Über den
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